Beendet die EU Milliarden Steuertricks vor allem durch US-Konzerne? (Bild: pixabay.com | CC0 Public Domain)
Beendet die EU Milliarden Steuertricks vor allem durch US-Konzerne? (Bild: pixabay.com | CC0 Public Domain)

Um Steuertricksereien in der Europäischen Union vor allem durch amerikanische Großkonzerne wie Microsoft, Google, Apple, Facebook oder Starbucks besser entgegnen zu können, plant die Europäische Kommission – die faktische EU-Regierung – einen neuen Anlauf.

Konkret geht es der EU um eine Wiederbelebung des Plans einer „Gemeinsamen Konsolidierten Körperschaftssteuer-Bemessungsgrundlage“. Schon einmal hatte die EU-Kommission ihren Mitgliedsstaaten im Jahr 2011 ein Papier vorgelegt, welches das Problem der Steueroasen innerhalb der EU, wie Irland oder Luxemburg, angehen wollte.

Konkret geht es in dem erneuten Anlauf darum, EU-weit eine einheitliche gesetzliche Grundlage zu schaffen, wie Konzerngewinne in den EU-Ländern angemessen zu versteuern sind.

Derzeit ist es so, dass vor allem kleine EU-Länder wie Irland, Tschechien oder Luxemburg sich als Steigbügelhalter hergeben, um supranational agierenden Großkonzernen zu irrwitzig niedrigen Steuersätzen auf Gewinne zu verhelfen.

Alleine die irische Regierung schneiderte für über 1000 Konzerne Steuertrickser-Modelle, die vor allem ein Ziel haben: Dass diese Konzerne so wenig Steuern wie möglich in den anderen EU-Mitgliesstaaten zahlen.

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Die EU-Kommission rechnete kürzlich vor, dass alleine Apple, der weltgrößte Konzern, in der EU im Schnitt gerade einmal 0,003% Steuern bezahl habe. Diesen Vorwurf hatte zwar die Apple-Zentrale in den USA arrogant vom Tisch gewischt, doch weg ist das Problem damit offensichtlich nicht:

Wer in der EU viele Milliarden Euro jährlich an Gewinnen verdient, so die Europäische Union, und kaum Arbeitsplätze schaffe und noch weniger Steuern zahle, dem solle es künftig stärker an den Kragen gehen, als bislang.

Die Süddeutsche Zeitung (SZ) schreibt in ihrer Freitagsausgabe vom 21. Oktober im Wirtschaftsteil (Seite 17), wonach ihr zur Einsicht der neue EU-Gesetzesentwurf einer Verteuerungs-Reform nun vorgelegt worden sei.

Demnach gehe es zunächst darum, europaweit zu regeln, welche Unternehmens-Positionen als Ausgaben zum Gegenrechnen auf Gewinne angesetzt werden dürfen und welche nicht. Die Schulden und Investitionen sind traditionell ein zentraler Gradmesser zur Berechnung einer zu zahlenden Körperschaftssteuer.

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Das Problem liege dabei darin, so die SZ, dass „einzelne Staaten… beispielsweise Forschung stärker fördern, als andere“. Solche Länder würden deshalb erlauben, dass „Forschungskosten stärker vom Gewinn abzuziehen“ sind, als bei Nachbarstaaten.

So vernünftig die Regeln sind, so missbräuchlich können sie auch angewendet werden: Zum Beispiel, wenn Unternehmen ganze Unternehmenswerte – wozu Patente gehören – aus Steuergründen vom einen EU-Land ins nächste transferieren.

Laut Süddeutscher Zeitung denke die EU darüber nach, dass künftig zumindest für Forschungsausgaben gelte:

Zusätzlich zu den tatsächlichen Forschungskosten sollen künftig maximal 50% der Ausgaben vom Gewinn abgezogen werden dürfen. Lägen die Ausgaben für Forschung und Entwicklung bei über 20 Millionen Euro pro Jahr, solle dieser Wert auf 25% sinken.

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Nicht klar ist: Was bedeutet dies für die Innovationskraft sehr teurer Forschungsprojekte in der EU?

Beispielsweise kostet die Entwicklung von Krebs-Medikamenten oder HIV-Medikamenten, auch im Bereich von Alzheimer oder Parkinson, ebenso bei Multi Sklerose, leicht viele Milliarden Euro – pro neuem Wirkstoff. 20 Millionen Euro verpuffen da im Nichts.

Das gilt ebenso für die Entwicklung neuer E-Autos. Alleine das Flaggschiff deutscher Elektroautos, das BMW Elektroauto i3, soll in der Entwicklung gut eine Milliarde Euro verschlungen haben.

Laut SZ ziele der Plan der EU-Kommission auf Firmen ab, welche über 750 Millionen Euro im Jahr umsetzten.

Doch mit der steuerlichen Berücksichtigung von Forschung und Entwicklung ist es mit der EU-Reform zur Besteuerung von Unternehmen nicht getan: Als Dickschiff-Projekt gilt vor allem die Verteilung von Umsätzen und Gewinnen innerhalb der EU. Hier gelte, schreibt die Süddeutsche, dass „Gewinne eines Konzerns fair auf alle Länder verteilt werden, in denen der Konzern aktiv ist“.

Der Schlüssel zur Verteilung von Gewinnen solle sich an Kennziffern orientieren, wie: Umsatzanteil je EU-Land, Vermögensanteil je EU-Land, Anzahl Mitarbeiter je EU-Land.

Bislang ist es so, dass vor allem US-Konzerne Meister darin sind, Rechnungen aus Steueroasen an die Millionen Kunden in den eigentlichen Umsatzbringer-Länder zu versenden, so dass man dann in der Bilanz sagen kann, man habe den Umsatz ja zum Beispiel nicht in Deutschland erwirtschaftet, sondern in Tschechien oder Irland (obwohl die Ware aus Deutschland bestellt wurde und auch aus Deutschland bezahlt wurde).

Dieses fast schon irre System hat dazu geführt, dass ganze Schneeballsysteme entstanden sind, über welche in der EU erwirtschaftete Hunderte Milliarden Euro Umsatz und Gewinn in kleinste EU-Mitgliedsländer verschoben werden, um den kleinst möglichen Nenner zur Zahlung von Steuern zu erlangen.

Zunächst unangetastet lassen wolle die EU eine europaweite einheitliche Körperschaftssteuer-Regel für Konzerne. Das ist aber selbst in den USA nicht anders: Auch hier gibt es bei der Körperschaftssteuer unterschiedlichste Größen zwischen den Bundesstaaten.

In der EU ist es derzeit so: Während der durchschnittliche Körperschaftssteuersatz in Deutschland bei 30% liegt, berechnen die irischen Finanzämter maximal 12,5%. Dieser in Irland geltende Niedrigst-Steuersatz kann obendrein mit den Behörden – ähnlich dem Modell in Luxemburg oder Tschechien – nach unten herunterverhandelt werden.

In der SZ wird der Europaabgeordnete der GRÜNEN, Sven Giegold, mit den Worten zitiert, der EU-Vorschlag zur Steuerharmonisierung der Gewinne sei gut:

„Viel zu lange haben die EU-Mitgliedsländer sich bei den Unternehmenssteuern mit unfairen Mitteln Steuergelder und Investitionen abgejagt.“

Wie Deutschlands Große Koalition, bestehend aus CDU/CSU und SPD, mit den Steuerplänen umgeht, ist noch nicht klar.

Bislang hat es Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble (CDU) noch nicht einmal hinbekommen, nach französischem oder britischem Vorbild wenigstens Google zur nachträglichen Steuerzahlung zu bewegen oder als Minimalkonsens dazu, transparent und nachvollziehbar mitzuteilen, wie viele Steuern Google & Co. hierzulande überhaupt in den vergangenen Jahren bezahlten.

Immerhin steuert Google auf einen Jahresumsatz von 100 Milliarden Euro zu, bei wohl schon bald gut 20 Milliarden Euro Jahresgewinn – nach Investitionen in Höhe vieler Milliarden Euro. Google wird nämlich in der Internetszene durchaus zugetraut, leicht auf eine Rendite von deutlich über 50% zu kommen.

Deutschland gilt für Goolge & Co nach den USA als zweitwichtigster Umsatz- und Gewinnmarkt.

Deutsche Unternehmen monieren, Google nutze das hierzulande Dank Steuertricks erwirtschaftete Geld, um die Digitalwirtschaft in vielen Bereichen plattzumachen und eigene Google-Produkte – wie Google Shopping oder Google Flights  –  immer stärker in den Markt zu pushen.

Damit würde, lautet der Vorwurf der bereits in der EU-Kommission untersucht wird, Google für eine massive nicht mehr reparierbare Wettbewerbsverzerrung im Internet sorgen und den von den USA eigentlich formalrechtlich unabhängigen europäischen E-Commerce-Unternehmen massiv Schaden zufügen.

Denn faktisch ist das Internet so aufgebaut: Google, Facebook, Microsoft & Co sind die Walfische und Millionen europäischer oder anderer Unternehmen sind die Bakterien, die hier lediglich zum Planktonfressen andocken dürfen.

Dass vor allem an den Wettbewerbsverzerrungs-Vorwürfen gegen Google viel dran ist, lässt sich derzeit mal wieder schön an den wöchentlich von Sistrix ausgewiesenen Sichtbarkeits-Indizes sehen:

Seit Monaten verlieren unzählige Wettbewerber von Google-Angeboten wie Google Shopping oder Google Flights massiv in Google an Sichtbarkeit. Das bedeutet: Nicht-Google-Angebote und Nicht-Google-Webseiten werden bei Suchanfragen auf den vorderen Plätzen schlicht schlechter bis gar nicht mehr eingeblendet.

Google behauptet zwar immer, man schraube hier nicht vorsätzlich zum Schaden des Wettbewerbs herum, sondern habe lediglich seinen Qualitäts-Index im Rahmen eines Updates weiter optimiert.

Was das bedeutet, lässt sich am aktuellen Google Phantom IV-Update sehen, welches derzeit weltweit über Hunderte Millionen Webseiten, darunter sehr viele direkte Google-Wettbewerber, ausgerollt wird: Unzählige auch große und bekannte deutsche Webseiten verlieren Unmengen an Sichtbarkeit in Google und damit über Google vermittelten Traffic und dadurch an Umsatz.

„Wir sterben nun langsam“, sagen selbst größte deutsche Webseiten dieser Tage vor der US-Übermacht im Internet resignierend.

Deshalb kann über Googles viel beschworene ‚Leitlinien‘, der US-Megakonzern wolle nicht „evil“ sein und Google wolle angebliche immer nur „an der Qualitätsverbesserung für unsere Nutzer“ arbeiten, die deutsche und sonstige E-Commerce-Szene in der EU nur bitter lächeln.

Immerhin hängen Millionen Jobs im E-Commerce der EU von Googles Gnaden ab.

Ebenfalls bei vielen E-Commerce-Unternehmern auf wenig Glaubwürdigkeit stößt, wenn der US-Konzern Google gerne behauptet, es gebe ja immer auch Gewinner seiner Updates. Hier wenden Kritiker wiederum ein:

Im E-Commerce seien das seltsamerweise nicht selten meist kleinere Webseiten, die bislang keine große Rolle im E-Commerce spielten und die auch nicht mit relevanten Umsätzen im zentralen Wettbewerb zu Google-Geschäftsfeldern stünden, welche Google selber stärker als bislang nun auch noch bespiele.

Als Faustregel gilt im Netz: Wenn Google einem Portal ein Prozent Sichtbarkeit nimmt, bedeutet dies ein Prozent Umsatz und Gewinn weniger. Einigen der bekanntesten deutschen E-Commerceportale hat Google alleine im vergangenen halben Jahr bis zu 40% an Sichtbarkeit in den Google-Suchergebnissen genommen. Darunter sind beispielsweise Preis- und Produktvergleichsportale, schreiben blog.searchmetrics.com oder inm.ch.

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Von Tim

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