Droht eine Edeka-Krake? (Bild: pixabay.com | CC0 Public Domain)
Droht eine Edeka-Krake? (Bild: pixabay.com | CC0 Public Domain)

Der Übernahmekampf um die rund 400 Kaiser’s Tengelmann Filialen geht weiter. Jetzt warf Rewe-Chef Alain Caparros Tengelmann-Haupteigener Erivan Haub, einem Milliardär, vor, dieser agiere wie ein Sonnenkönig. Dabei bliebe die Vielfalt im Supermarkt-Bereich auf der Strecke, die Verbraucher hätten das Nachsehen, so der Rewe-Chef.

Caparros ist eine schillernde Figur in der deutschen Managementszene. Er kann auf eine beachtliche internationale Karriere zurückblicken: Er wuchs in Algerien auf. Dann floh er 1962 mit seinen Eltern im Rahmen des Algerienkrieges nach Frankreich. Im Algerienkrieg kämpften die Algerier gegen die brutalen französischen Kolonialbesatzer, um ihre Unabhängigkeit zu erlangen.

In dem Krieg agierten die Franzosen nach heutigen Maßstäben massiv kriegsverbrecherisch und schlachteten 300.000 Algerier ab. Doch trotz der französischen Bluts-Verbrechen in Algerien ist das Land heute zwar immer noch nicht wirklich eine Demokratie, aber relativ frei von einer Kolonialmacht.

Wer überleben wollte, musste also kämpfen lernen in Algerien. Das scheint sich der damals kleine Alain Caparros bis heute vor Augen zu führen, beobachtet man die Übernahme- oder Zerschlagungsschlacht rund um Kaiser’s Tengelmann.

Markante Posten im Einzelhandel hatte Alain Caparros unter anderem in Frankreich. Dort managte er von 1994 bis 1999 die Geschäfte von „Aldi Service Plus“ (ASP), einem damals französischen Marktführer in der Gastronomiebelieferung. Allerdings findet man heute über ASP nicht mehr viel, so dass man davon ausgehen kann, dass diese Einheit zumindest unter diesem Namen möglicherweise gar nicht mehr existiert.

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In einem Buch steht, wonach Caparros Rewe Aldis „Service Plus“ bereits 2005 in einem Schweizer Gastro-Joint Venture eingebracht hatte. Es firmiere heute unter dem Namen Transgourmet Holding und sei seit 2008 als Transgourmet Holding AG bekannt (Verweis auf Buch: „Internationales Marketing“, von Joachim Zentes, Bernhard Swoboda, Hanna Schramm-Klein, S. 336).

Rewe-Chef Caparros hat das Kämpfen gelernt – schon als Kind auf der Flucht aus Algerien

Wie es Caparros gelang, die ehemalige Aldi-Tochter in dieses Joint Venture zu integrieren, ist nicht wirklich bekannt, auch nicht, wie er überhaupt an dieses Tochterunternehmen kam. Es zeigt aber früh: Der Mann kann über Einzelhandels-Grenzen hinweg kämpfen und zusammenführen, wenn er ein Ziel vor Augen hat. Immerhin ist Caparros bereits seit 2003 Chef von Rewe – einem nicht einfachen Verbund souveräner Einzelhandelskaufleute.

Deshalb kann man davon ausgehen, das, was Alain Caparros im aktuellen Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS) zu Kaiser’s Tengelmann und Erivan Haub sagt, ist mehr, als nur eine Übernahmeschlacht.

Für Caparros geht es offensichtlich um nicht weniger als die Frage, wie relative Vielfalt im Lebensmittel-Einzelhandel in Deutschland auf viele Jahre hinaus einigermaßen erhalten werden kann oder nicht. Dahinter steht also die Gesellschaftsfrage: Wird das Lebensmittelpreisniveau teurer (Edeka-Option) oder eher günstiger (Discounter, wozu auch Netto gehört, eine Tochter der Edeka Zentrale AG & Co. KG).

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Wer in Berlin wohnt, weiß: Der Supermarkt Kaiser’s spielt in der Hauptstadt eine große und wichtige Rolle für die Verbraucher.

Kaiser’s in den Schönhauser Allee Arcarden im Prenzlauer Berg ist bis 21 Uhr werktags fast immer proppe voll. Der Supermarkt ist dort von elementarer Bedeutung für die lokale Bevölkerung. Ebenso der Netto, welcher die günstigere Lebensmittel-Variante in den Schönhauser Allee Arcaden ist. Da wo heute Netto in den Schönhauser Allee Arcaden ist, war zuvor viele Jahre ein Plus zuhause. Netto gehört zur Edeka Zentrale AG & Co. KG.

Berlin Schönhauser Allee Arcaden – alles bald Edeka?

Plus ist eine Supermarktkette, die es heute schon gar nicht mehr gibt. Seit geraumer Zeit hat Rewe einen schicken Supermarkt einen Steinwurf entfernt von Tengelmanns Kaiser’s eröffnet. Aus Sicht der Verbraucher ist das gut: Endlich gibt es dort etwas mehr Wettbewerb.

Szenenwechsel. Wer in Leipzig wohnt, weiß: Im Innenstadt-Ring gibt es kaum günstige Lebensmittel-Einkaufsmöglichkeiten. Es gibt die teure Delikatessenabteilung bei Karstadt in der Fußgängerzone im Keller. Es gibt einen Netto in einem wenig ansehnlichen Kellerabteil Nahe der Nikolaikirche.

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Und dann gibt es im Leipziger Innenstadtring seit wenigen Jahren noch Edeka in den Höfen am Brühl. Edeka ist in den Höfen am Brühl der wichtigste Supermarkt, der als einziger im Innenstadtring von Leipzig wirklich als Lebensmittel-Vollsortimenter bezeichnen werden kann.

Nachteil: Edeka ist zwar schick, aber teuer. Gefühlt kommt man aus dem Laden mit gut 25 bis 30 Prozent höheren Rechnungen raus, als bei Netto oder Kaiser’s (eine Supermarkt-Kette die selbst auch nicht gerade als günstig verschrien ist).

Dennoch: Angesichts der zentralen Frage darum, wie teuer Lebensmittel für die Konsumenten künftig werden, sollte man die Äußerungen und Angriffe gegen Kaiser’s Tengelmann von Rewe-Chef Caparros, wie sie nun in der FAS öffentlich wurden, nicht leichtfertig abtun, wenn er sagt: „Was da abläuft, ist eine Schweinerei.“ Eine Schweinerei sei es, wie Edeka mit Hilfe von Erivan Haub alles versuche, um noch größer zu werden:

„Ich kämpfe nicht gegen Edeka oder gegen Herrn Haub, ich kämpfe nur für die Rewe, die eine kritische Größe behalten muss. Ganz wichtig dabei ist, dass der Abstand zwischen Rewe und Edeka nicht noch größer wird als er jetzt schon ist. Sonst hat die Edeka ein Monopol. Nehmen wir Berlin: Wenn wir in Berlin keinen Zuschlag erhalten, ist dort jeder zweiter Markt demnächst ein Edeka. Das ist nicht im Interesse der Kunden.“

Des weiteren erklärte Caparros, dass er sich von Erivan Haub an der Nase herumgeführt führe. So habe er diverse Angebote an Haub geschickt, aber dieser habe nicht einmal reagiert. Deshalb habe er sich zum Beispiel genötigt gesehen, das Interesse von Rewe an Kaiser’s Tengelmann in Tageszeitungsanzeigen zunächst einmal überhaupt öffentlich zu machen.

MIt einer Zeitungsanzeige wollte Rewe auf die Bedeutung des Verkaufs der rund 400 Lebensmittelläden von Kaiser’s Tengelmann hinweisen

Damit habe er auf die enorme Bedeutung hinweisen wollen, die der Verkauf von über 400 Lebensmittel-Läden für die deutschen Verbraucher überhaupt bedeute. Ihm gehe es darum, dass es Vielfalt unter Deutschlands Lebensmittelläden gebe, und Edeka – bekannt für hohe Lebensmittelpreise – nicht noch größer werde:

„Wir wollen verhindern, dass Edeka alle Märkte zugesprochen bekommt, das ist mein Perpetuum. Davon abgesehen, sind wir kooperativ, egal, ob wir die Märkte bekommen, ein Dritter oder ob wir sie uns mit Edeka aufteilen. Am 6. Oktober erst saßen wir alle zusammen und hatten eine Einigung erzielt. Die vorsah, dass die Märkte in Berlin und NRW an uns gehen, die im Raum München an Edeka. Und zwar unter Einhaltung der der Auflagen aus der Ministererlaubnis. Zudem wurden die Interessen von Markant und Norma wurden berücksichtigt.“

Doch dann habe „Herr Haub“ plötzlich wieder alles platzen lassen und habe angefangen, von einer Zerschlagung von Kaiser’s Tengelmann zu sprechen. Dies sei umso ärgerlicher, als dass Kaiser’s Tengelmann bereits – von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen – angefangen habe, von den einstmals rund 450 Lebensmittelgeschäften in den vergangenen Monaten rund 50 abgebaut habe. Dabei hätten Mitarbeiter ihre Jobs verloren.

Will nicht die Katze im Sack kaufen

Besonders ärgere sich Rewe-Chef Alain Caparros darüber, dass Kaiser’s Tengelmann es verhindere, dass Rewe auch Einblicke in die Bilanzen der zur Übernahme stehenden Supermärkte erhalte. Man brauche sich aber nicht zu treffen, wenn Haub marktunüblich einen Einblick in die Zahlen verweigere, meint Casparros:

„Aber ich kaufe doch nicht die Katze im Sack. Da macht auch unser Aufsichtsrat nicht mit“, erklärte er in der FAS.

Auf den Hinweis der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, wonach es einen Vorwurf gebe, dass Rewe möglicherweise nur so tue, als habe man Interesse an den Supermärkten, um Einblick in die Zahlen von Konkurrenten zu bekommen, sagte Caparros: Dies sei nicht so.

Im Gegenteil: Die Rewe hab ernsthafte und lautere Absichten, ein Teil der Lebensmittelgeschäfte von Kaiser’s Tengelmann zu übernehmen. Es sei „unverschämt“ hier Spielereien zu unterstellen. Vielmehr wäre Rewe sogar bereit, „die operativen Verluste bis zum Closing zu übernehmen“. Dies habe er schriftlich alles an „Herrn Haub“ übermittelt.

Hat Haub ein Problem mit dem Rewe-Chef?

Weiter erklärte der Rewe-Boss gegenüber der FAS: Falls Haub ein Problem mit der Person Caparros habe, dann solle Haub einfach ihn einmal vergessen. Er könne zu den Verhandlungen gerne auch jemand anderen schicken.

Zudem verweist Caparros noch einmal auf die Bedeutung der jetzigen Übernahmeschlacht in der FAS hin:

„Die Märkte sind quasi die letzte größere Übernahme, die in Deutschland möglich ist. Und das ist auch leider nicht das Geschäft unseres Lebens, schließlich sind da besonders unter den Geschäften in Nordrhein-Westfalen ein paar echte Problemfälle. Aber wer jetzt nicht zum Zuge kommt, der ist auf viele Jahre hin abgehängt.“

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