Boris Becker im Jahr 2013 bei Mercedes Benz. (Bild: pixabay.com | CC BY-SA 3.0 Wikimedia).
Boris Becker im Jahr 2013 bei Mercedes Benz. (Bild: pixabay.com | CC BY-SA 3.0 Wikimedia).

Viel ist darüber spekuliert worden, ob Tennis-Star Boris Becker nun insolvent ist, oder nicht. In den Medien geistern angebliche angemeldete Forderungen gegen Becker in Höhe von bis zu 61 Mio. Euro.

Doch weiß, wer jemals eine Insolvenz mitgemacht hat: Das sind Papierwerte. Jeder kann faktisch einfach behaupten, mir schuldet er auch noch 20 Millionen Euro oder 10 Millionen.

Dafür braucht man nur angebliche berechtigte Forderungen beim zuständigen Insolvenzverwalter oder dem Insolvenzgericht, bei Becker also in London, anmelden.

Ob die Forderungen gerechtfertigt sind, wird dann erst in dem Insolvenzverfahren vor Gericht geklärt. Das dauert manchmal Monate, manchmal Jahre.

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Jetzt sagte ein Kölner Insolvenzverwalter, Jan Groß von der Kanzlei Ebner Stolz, dass jeder, der noch an Becker direkt Gelder überweise, angeblich „bösgläubig“ agiere. (1)

Grund: In den Medien sei genug darüber geschrieben worden, dass Becker nicht mehr zahlungsfähig sei.

Deshalb solle man das Geld lieber direkt an den Insolvenzverwalter überweisen.

Insolvenzverwalter Groß behauptet weiter: Es sei falsch, solle jemand annehmen, dass eine Insolvenz nur in dem Land gelte, in dem es eröffnet worden sei.

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„Die Insolvenz in einem EU-Staat gilt europaweit“, so Groß. Der deutsche Insolvenzverwalter soll angeblich im Namen der britischen Insolvenzverwaltungskanzlei Smith & Williamson in Deutschland Vermögenswerte und Forderungen von Becker eintreiben.

Zu Vermögenswerten des Tennis-Idols könnten auch Gagen oder Honorare gehören, die Becker für Jobs in den Medien oder auf dem Tennisplatz erhalte, erklärt Groß.

Was Insolvenzverwalter allerdings gerne unterschlagen: Von ihnen eingetriebene Gelder, gehören fast häufig zwischen 10 und 25 Prozent den Insolvenzverwaltern selber.

Insolvenzverwalter kassieren oft bis zu 25% vom Verkaufserlös einer insolventen Firma

Ein betroffener Geschäftsführer, der selbst einmal von einer Insolvenz betroffen war, kommentierte dazu:

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„Unsere Firma wurde für 500.000 Euro verkauft. Davon bekam der Insolvenzverwalter rund 10 Prozent als gesetzlich ihm vom Verkaufspreis zugestandene Insolvenzverwaltergebühren.“

Doch damit sei die Rechnung nicht beendet worden: „Weitere 100.000 Euro stellte er uns in Rechnung für angebliche Personalkosten zur Abwicklung der Insolvenz“.

Sein Fazit: „Auch unter Insolvenzverwaltern gibt es häufig Gauner, die mit den Insolvenzrichtern, welche sie häufig noch aus der Uni kennen, dem Referendariat, oder Fortbildungen, gemeinsame Sachen machen.“

Begünstigt werde dies durch chronische Überlastung vieler Wirtschaftskammern an den Gerichten:

„Da haben Richter häufig keine Zeit, sich jeden Vorgang noch einmal genau anzuschauen. Die haben nicht, wie ein Insolvenzverwalter, bis zu 100 eigene Mitarbeiter.“

Gefragt sei letztlich der Gesetzgeber, der endlich dafür sorgen müsse, dass Insolvenzverwaltern genauer auf die Finger geschaut werde, bevor sie ein insolventes Unternehmen weiter ausnehmen würden.

Schaut man sich die einschlägigen Informationsportale an, sind diese teils komplett unergiebig.

In Wikipedia mutet beispielsweise der Eintrag zu Insolvenzverwaltern eher so an, als hätte hier eine PR-Agentur im Auftrag von Insolvenzverwaltern die Gebühren kleingerechnet. So steht hier:

„Die Höhe der Vergütung ist detailliert in der InsVV (Insolvenzrechtliche Vergütungsverordnung) geregelt. Sie beträgt mindestens 1.000 € (§ 2 Abs. 2 InsVV). Im Übrigen ist die Vergütung von der Insolvenzmasse sowie der Anzahl der anmeldenden Gläubiger abhängig. § 2 Abs. 1 InsVV sieht dabei eine Staffelung vor, nach der von den ersten 25.000 € in der Regel 40 % an den Insolvenzverwalter gehen, von dem über 50.000.000 € hinausgehenden Betrag 0,5 %. Die Verordnung sieht zahlreiche Zu- und Abschläge vor.“ (2) 

Doch gerade die „zahlreichen Zu- und Abschläge“ haben es in sich und können die tatsächlich abgerechneten Gebühren sowie angeblichen „Kosten“ auch bei Unternehmensverkäufen von über 50 Millionen Euro schnell auf 10 bis 25 Prozent treiben.

Abschlussrechnung einer Insolvenz durch das Amtsgericht Charlottenburg

Das macht auch eine Abschlussrechnung des Amtsgerichts Charlottenburg vom 23.11.2007 deutlich:

Hier wird der Wert der Insolvenzmasse gemäß Schlussrechnung (Summe der SuSa; Summen- und Saldenliste) einer in die Insolvenz geratenen GmbH mit 233.579,56 € angeben. (3)

Die Regelvergütung des Insolvenzverwalters wird mit 29.541,16 Euro netto und 35.153,98 € brutto beziffert. Das sind also rund 13% Nettokosten und effektiv abgezogene 15% Kosten.

Gleichzeitig akzeptiert das Gericht, dass der Insolvenzverwalter noch eigene Personalkosten in Höhe von 14.112,35 € netto, beziehungsweise 16.793,69 brutto für die Abwicklung der Insolvenz abrechnen darf.

Das sind also noch einmal brutto effektiv abgezogene Kosten vom Insolvenzverkaufserlös des Unternehmens in Höhe von 7,2%.

Effektiv stellte der Insolvenzverwalter dem insolventen Unternehmen nach Verkauf des Unternehmens 22,24% vom Verkaufserlös in Rechnung

Das bedeutet: Von dem tatsächlichen Firmenverkaufserlös in Höhe von 233.579,56 € gesteht das Insolvenzgericht, in dem Fall das Amtsgericht Charlottenburg, dem Insolvenzverwalter einen Gebühren- und Kostenblock von saftigen 51.947,68 € zu, also 22,24%.

Diese Rechnung darf wohl auch für größere Verkäufe aufgemacht werden.

Das bedeutet: Verkauft ein Insolvenzverwalter ein Unternehmen für 300 Millionen Euro, wie aktuell im Falle einer großen Fluglinie gerüchteweise behauptet wird, könnte der Insolvenzverwalter am Ende gut 10 bis 25% vom Verkaufspreis als Insolvenzgebühren und Kosten abziehen, also 30 bis 70 Millionen Euro.

Ein ehemalig insolventer Unternehmer erklärt das das:

„Der Insolvenzverwalter stellt sich am Ende der Insolvenz selbst die Rechnung und überweist sich selbst die in Rechnung gestellten Gelder, die aber letztlich vom Gericht dann als abgesegnete Schlussrechnung freigegeben werden. Grund: Der Verkaufserlös fließt an das alte Unternehmen, das verkauft wurde und nicht an den Käufer der Insolvenzmasse.“

Deshalb wüssten viele insolvent gegangene Unternehmer, deren Unternehmen dann weiterverkauft worden ist, am Ende gar nicht, wie viel sich der Insolvenzverwalter schlussendlich entnommen hat.

Auch der Käufer eines solchen insolventen Unternehmens wüsste häufig nicht, wie viel der Insolvenzverwalter kassierte und zwar vor allem dann nicht, wenn es sich um einen Asset Deal handelt.

Bei einem Asset Deal werden nur die Werte eines insolventen Unternehmens verkauft. Die juristische Firmenhülle bleibt aber letzt zurück beim Insolvenzverwalter.

Einzelnachweis

(1) Boris Becker in ganz Europa insolvent, von GEORG GIERSBERG, in Frankfurter Allgemeine Zeitung Online vom 10.10.2017. Abgerufen am 12.10.2017.

(1) Kosten des Insolvenzverfahrens, in: Wikipedia.

(2) Abrechnung einer Insolvenz, Vergütungsrechner. Amtsgericht Charlottenburg vom 23.11.2007.

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