Wenn es um demokratische Werte geht, hat Brasilien in den vergangenen Jahrzehnten selten eine gute Figur gemacht. Jetzt gibt es ein weiteres Kapitel, welches zeigt, wie in Brasilien politisch missliebige Personen eliminiert werden. Von einem Regime, welches sich seit Jahren zwischen rechtskonservativen Politikern, Unternehmern und der Justiz die Klinge in die Hand gibt.

So hat Brasiliens umstrittener rechtskonservativer Oberster Gerichtshof entschieden, dass der ehemalige linke sozialistische Präsident Luiz Inacio Lula da Silva ganze 12 Jahre ins Gefängnis soll. Der aus Sicht von vielen an den Haaren gezogene Vorwurf: Angebliche Korruption. [1]

Da Silva selber und auch seine politischen Weggefährten haben korruptes Verhalten aber immer bestritten und gesagt, hier werde die Justiz als Steigbügelhalter benutzt, um linke Politiker zu eliminieren und von der Macht fern zu halten.

So trat beispielsweise da Silva dafür ein, wie auch seine abgesetzte linke Nachfolgerin Dilma Rousseff, dass weiße Großgrundbesitzer in Brasilien enteignet werden, um der armen Bevölkerung Land zu geben und ein Leben in Würde zu ermöglichen.

Top-Kandidat für das Präsidentenamt 2018

Lula da Silva regierte von 2003 bis 2011 Brasilien – also fast zehn Jahre lang. Für die in Brasilien anstehenden Wahlen im Oktober 2018 galt Silva als absoluter Top-Kandidat für das Präsidentenamt. So führte noch im Januar 2018 das lateinamerikanische Fachportal amerika21.de aus:

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„In Brasilien nimmt der ehemalige Präsident (2003-2011) Luiz Inácio Lula da Silva nach inländischen und internationalen Umfragen die Favoritenrolle ein. Sogar die rechtsgerichtete Tageszeitung Folha de São Paulo sieht seine Umfragewerte bei 35 Prozent. Mit nur rund 15 Prozent geht der ehemalige Militär Jair Bolsonaro ins Rennen. Bolsonaro hatte seine Stimme während der Parlamentsabstimmung zur Amtsenthebung der Lula-Nachfolgerin (2011-2016) Dilma Rousseff einem verurteilten Folterer der Diktatur gewidmet und ist für rassistische und homophobe Äußerungen berüchtigt. In Brasilien gehen zudem Marina Silva (REDE) und Geraldo Alckmin (PSDB) ins Rennen. Dem amtierenden De-facto-Präsidenten Michel Temer werden keine Chancen mehr zugerechnet.“  [2]

Das jetzige Gerichtsurteil sehen Brasilien-Kenner als strategisches Mittel um einen linken Politiker von der Macht fern zu halten.

Der 72-jährige ehemalige Präsident hatte nämlich eine Haftprüfung beantragt, um seine bereits 2017 ausgesprochene umstritten Haftstrafe auszusetzen oder wenigstens zu verschieben.

Aber das Oberste Gericht Brasiliens entschied nun mit 6 gegen 5 Stimmen, dass Luiz Inacio Lula da Silva eben doch für gut 12 lange Jahre hinter Gitter muss. [3] Das gilt als politisches Todesurteil für einen der beliebtesten Politiker Brasiliens.

https://youtu.be/zFNb0VjLNms

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Um dieses Uralt-Hochhaus geht es: Hier soll da Silva angeblich einen Vorteil genossen haben. Der beliebte linke Politiker bestreitet das aber seit Jahren – vergeblich.

Lula da Silva hat immer jegliches Fehlverhalten bestritten. Seine Verteidiger erklären seit Jahren vor Gericht, er sei ein Opfer politischer Verfolgung. Auch seine Anhänger und politischen Weggefährten sehen das so.

Zehntausende Brasilianer sind in den vergangenen Jahren deshalb regelmäßig mit Unterstützung der Gewerkschaften auf die Straße gegangen – zuletzt am 24. Januar 2018 in Sao Paulo.

Konstruiert wirkende Vorwürfe

Fakt ist: Die Vorwürfe gegen den langjährigen linken ehemaligen Präsidenten wirken konstruiert und komplett überzogen.

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Angeblich habe da Silva, so lautet der Vorwurf, zu günstigeren Konditionen ein Appartement in Strandnähe genutzt und habe dafür der privaten Ölgesellschaft Petrobras Aufträge zugeschanzt. So lautet zumindest einer der Vorwürfe, die aber da Silva immer zurückgewiesen hat.

Der amerikanische Nachrichtensender CNN führt zu den Vorwürfen aus:

„Lula da Silva wurde beschuldigt, von der Baufirma OAS für die Renovierung eines Triplex in einer Strandstadt in der Nähe von Sao Paulo profitiert zu haben.“ Die Renovierung habe nämlich dazu geführt, dass er dort selbst ein Appartement habe nutzen können. [4]

Die Vorwürfe gegen da Silva sind aber verworren und variieren je nachdem, aus welcher Ecke sie kommen.

Mal warf das Gericht dem Gründer der sozialistischen Arbeiterpartei Brasiliens, der „Partido dos Trabalhadores“ vor, dieser habe angeblich Vorteile im Wert von 1,1 Millionen US-Dollar genossen, indem er eben jenes ominöse Strand-Appartement genutzt habe.

Dann wieder heißt es, er habe es nicht nur vereinzelt genutzt, sondern gleich besessen – was de Silva aber abstreitet und in einem Land wie Deutschland sich  über Grundbucheinträge auch beweisen lassen würde.

Grundbucheintrag fehlt

Nur: In Brasilien soll es gar keinen Grundbucheintrag zu einem da Silva geben in jenem ominösen Strand-Appartementhaus. Trotzdem behaupten seine politischen Gegner und die rechtskonservative Justiz, er sei de Fakto Besitzer des Appartements gewesen. Ein Vorwurf, den man so aber letztlich jedem machen könnte.

Der ebenfalls eher rechts gerichtete amerikanische Nachrichtensender Fox News führt jedenfalls aus:

Richter Sergio Moro, der Richter im Zentrum der Mammutprozesses, habe im Rahmen der „Car Wash“-Korruptionsuntersuchung da Silva verurteilt und ihm vorgeworfen:

Der langjährige brasilianische linke Präsident habe angeblich gleich ein ganzes „Korruptions-Programm angeführt“. [5]

Angebliches System der Korruption

Das angebliche „Korruptionssystem“ bestand im wesentlichen daraus, dass der Ex-Präsident und Präsidentschaftskandidat für die Wahl 2018 der Baugesellschaft OAS Aufträge der privaten Ölgesellschaft Petrobras im Wert von über 25 Millionen Dollar vermittelt haben soll. [5f]

Nur gilt auch hier wieder: Es gehört durchaus zu den Aufgaben eines Politikers, der Wirtschaft Aufträge zu vermitteln und damit Arbeitsplätze zu sichern. Deshalb reist auch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel um die halbe Welt, ebenso US-Präsident Donald Trump.

Nur bei Brasiliens Ex-Präsident soll das dann gleich korrupt sein.

Jedenfalls, behauptet Brasiliens Justiz, welche selbst im Ruf steht, korrupt bis kriminell zu sein, habe da Silva im Gegenzug zum Vermitteln der Wirtschaftsaufträge jene ominöse Wohnung in dem verfallenen ehemaligen Luxuswohnort im Wert von 600.000 US-Dollar nutzen dürfen.

Präsident sagt, er habe die Wohnung in dem Billig-Hochhaus nie besessen und auch nicht genutzt

Da Silva und seine Anwälte hätten aber immer wieder betont, führt Fox News weiter aus, „dass der ehemalige Präsident nie in der Wohnung wohnte oder wohnt und er nur einen Besuch dort machte, um eine Geschäftschance zu betrachten, die nie realisiert wurde.“ [5ff] Fox News schreibt zudem:

„Das 297 Quadratmeter große Apartment im Solaris-Komplex liegt am Asturias Beach, einem der belebtesten Viertel von Guaruja, einer verfallenen Stadt, die einst ein Eldorado für die Elite im Bundesstaat Sao Paulo war. Große Namen verbringen immer noch Zeit in der Stadt, einschließlich Fußball-Superstar Neymar, aber keiner in der Nähe des Solaris-Komplexes.“ [5ff]

Da Silva war mit dem verstorbenen kubanischen Führer Fidel Castro befreundet.

Neben Lula da Silva wurde in Brasilien auch seine Frau Marisa Letícia Lula da Silva sowie sechs weitere Politiker oder Unternehmer angeklagt.

Die attraktive langjährige First Lady Brasiliens ist am 3. Februar 2017 an den Folgen eines Schlaganfalls verstorben. [6] Einige sagen, der Schlaganfall sei auch die Folge der juristisch-politischen Hetzjagd gegen sie und ihren Mann gewesen.

Einzelnachweise

(1) Mendes änderte seine Meinung über das Gefängnis nach der zweiten Instanz mindestens 3 Mal in 9 Jahren (original: „Mendes mudou de opinião sobre prisão após segunda instância ao menos 3 vezes em 9 anos“), In: aosfatos.org vom 5. April 2018.

(2) 2018 wird zum Superwahljahr für Lateinamerika und die Karibik, von Harald Neuber, In: amerika21.de vom 4. Januar 2018. Abgerufen am 5. April 2018.

(3) TF verweigert Habeas Corpus zu Lula für die Punktzahl von 6 bis 5 (original: „STF nega habeas corpus para Lula pelo placar de 6 a 5“), In: Valor Economico vom 4. April 2018.

(4) Ex-Brasiliens Präsident Lula da Silva verliert den Kampf, die Gefängnisstrafe zu verschieben (original: „Ex-Brazil president Lula da Silva loses fight to delay jail sentence“), auf: CNN vom 5. April 2018.

(5) Zukunft für Brasiliens Lula hängt an der Wohnung in der verfallenden Stadt (original: „Future for Brazil’s Lula hangs on apartment in decaying city“), von MAURICIO SAVARESE, In: Fox News vom 24. Januar 2018. Abgerufen am 5. April 2018.

(6) Marisa Letícia Lula da Silva, In: Wikipedia.

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Von Elke

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