Tschechien wundert sich über Google.
Tschechien wundert sich über Google.

Nach Großbritannien, Italien und Frankreich ist die Diskussion rund um den amerikanischen Suchmaschinen-Anbieter Google nun auch im EU-Mitglied Tschechien angekommen.

So berichtet Autor Jan Sinking auf dem tschechische Portal Lidovky.cz, wonach es in der Internetszene der Tschechischen Republik erhebliche Zweifel an den Google-Angaben zum Umsatz und Gewinn in Tschechien gebe. So weist Google zwar einen weltweit hohen Umsatz von 74,54 Milliarden Euro aus, behauptet aber in Tschechien nur wenige Millionen Euro zu erwirtschaften. Fakt ist aber auch: Mindestens die Hälfte des Google-Umsatzes schreiben schreiben Marktkenner der Europäischen Union mit seinen 500 Millionen Einwohnern zu.

Grund: Nirgends auf der Welt ist die Kaufkraft so hoch wie im Schnitt in der EU. Das würde also einen geschätzten in der Europäischen Union erwirtschafteten Google-Umsatz in Höhe von 35 bis 37 Milliarden Euro entsprechen. „Alleine für Großbritannien, Deutschland, Italien, Frankreich, schätzen wir den dort erwirtschafteten jährlichen Google-Umsatz auf gut 23 Milliarden Euro“, sagt Peter Müller, ein Internetfachmann aus München.

Das würde bedeuten: Die restlichen 10 bis 12 Milliarden Euro entfielen auf die kaufkraftschwächeren EU-Länder wie Polen, Tschechien, Griechenland, Spanien, Rumänien oder Bulgarien.

62 Mrd. US-Dollar Barreserven von Google – aus Gewinnen erwirtschaftet

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Jedenfalls rechnete bereits im Jahr 2014 das Manager Magazin vor, wonach Google 2016 die Schallgrenze von 100 Milliarden US-Dollar Barreserven (also 89,83 Milliarden Euro) erreichen könne. Schon heute sitze Google jedoch auf einem Cash-Bestand von 62,3 Milliarden Dollar, also 55,96 Milliarden Euro. Diese Gewinne dürften nach Steuern gerechnet sein und nach den jährlich Milliarden Dollar investierten Gelder für Zukunftsprojekte.

„Wir schätzen, dass gut die Hälfte dieser Barreserven direkt in der EU erwirtschaftet worden ist“, kommentiert Müller diese Zahlen weiter. Das hieße bis Ende 2016 wären das rund 50 Milliarden Dollar, beziehungsweise 44,92 Milliarden Euro geschätzte Google-Gewinne in der Europäischen Union.

Angesichts solcher Spekulationen schreibt denn auch das tschechische Portal Lidovky.cz, wonach der tschechische Fachverband für Internet-Entwicklung (SPIR; auf tschechisch: „SPIR – Sdružení pro internetový rozvoj“) für den heimischen Online-Markt in Tschechien von einem Umsatz in Höhe von 3,36 Milliarden Tschechischen Kronen ausgehe. Umgerechnet entspräche dies einem Volumen von 120 Millionen Euro.

Doch dominant, schreibt das Portal weiter, seien in Tschechiens Internetwirtschaft lediglich Google sowie ein weiterer Anbieter: Seznam.cz. Das Portal ist mit einem Marktanteil von rund 50% nach Angaben von Wikipedia neben Google der wichtigste Internetsuchmaschinen-Anbieter in der Tschechischen Republik.

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In Tschechien gilt Internetsuchmaschine Seznam.cz als führend

Seznam.cz wurde 1996 gegründet, beschäftigt heute nach Angaben von sueddeutsche.de rund 1.100 Mitarbeiter und ist auch der führende tschechische Internetsuchmaschinen-Anbieter sowie Betreiber unterschiedlichster Kleinanzeigenportale in den wichtigsten Wirtschaftsgebieten.

Zum Portfolio gehört beispielsweise die Kfz-Börse sauto.cz, ebenso das Pauschalreiseportal sdovolena.cz, das Immobilienportal sreality.cz oder das Jobportal volnamista.cz. Ebenfalls führend ist in Tschechien der Kartendienst von Seznam.cz, welcher unter dem Namen mapy.cz bekannt und im Land führend ist.

Wikipedia beziffert für Seznam.cz den Umsatz im Jahr 2013 auf 106 Millionen Euro, der Gewinn habe damals bei rund 33,9 Millionen Euro gelegen. Einer der wichtigsten Aktionäre von Seznam war ursprünglich Lycos Europe, ein Anfang der 2000er Jahre führender Internetsuchmaschinen-Anbieter von Bertelsmann. Ein weiterer Investor war die schwedische Investorengruppe Spray Ventures, schreibt wiederum die tschechische Onlineausgabe der Computerworld, computerworld.cz.

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Noch heute hält der 42-Jährige Ivo Lukačovič, der Seznam-Gründer, den Forbes zu den Milliardären zählt, über seine Beteiligungsgesellschaft Helifreak die Mehrheit an dem führenden tschechischen Internet-Unternehmen. Allerdings war im Jahr 2009 schon einmal der Verkauf von Seznam im Gespräch. Damals hatte die Mediafax-Gruppe aus Prag ein Übernahmeangebot von ungefähr 850 Millionen US-Dollar vorgelegt, was dem damaligen Wert von 583 Millionen Euro entsprach. Allerdings soll dies Gründer Lukačovič zu wenig gewesen sein.

Wie kann es sein, dass Google angeblich um ein vielfaches weniger in Tschechien umsetzt, als Seznam.cz?

Unter Berücksichtigung all dieser Zahlen rechnet jedenfalls das tschechische Nachrichtenportal Lidovky.cz weiter vor, könnten die Angaben von Google zum in Tschechien erwirtschafteten Umsatz und Gewinn nicht stimmen. Schließlich sei Google neben Seznam der zweitstärkste, wenn nicht mittlerweile stärkste Internetkonzern in Tschechien.

So soll Google behauptet haben, wonach man in Tschechien lediglich einen Umsatz von 207,5 Millionen Tschechischen Kronen erreiche, was umgerechnet gerade einmal dem winzigen Umsatz von 7,68 Millionen Euro entspräche. Und das, wo Google nach Angaben von sueddeutsche.de mittlerweile einen Marktanteil am tschechischen Internetsuchmaschinen-Geschäft, also vor allem den Onlineanzeigen, habe, welcher etwas größer sei, als jener von Seznam.

Im Gespräch ist ein Marktanteil von Google in Tschechien in Höhe von rund 53%. Dies ist im sonstigen EU-Vergleich eher niedrig. Zum Vergleich: In Deutschland liegt der Google-Marktaneil am Onlinesuchmaschinen-Geschäft bei rund 95%. Auch den Nettogewinn gibt Google für Tschechien erstaunlich niedrig an und zwar mit gerade einmal 11 Millionen Tschechischen Kronen, also 410.000 Euro. Zudem, behauptet Google, habe man 2015 gerade einmal 5,5 Millionen Tschechische Kronen an Einkommenssteuer bezahlt, also 220.000 Euro.

„Zahlen in Übereinstimmung mit den örtlichen Gesetzen, einschließlich des Steuerrechts“

Entsprechend der weltweiten PR-Richtlinie zitiert das tschechische Portal Lidovky.cz die tschechische Google-Sprecherin, Janka Miklík Zichová, mit den Worten, wonach Google „in Übereinstimmung mit den örtlichen Gesetzen, einschließlich des Steuerrechts“ in Tschechien arbeite. Fast die gleichen Worte äußerte kürzlich Googles Vize-Finanzchef vor dem britischen Parlament.

Allerdings stellt das Portal Lidovky.cz die Frage an Google, wie es sein könne, dass es zwischen dem führenden ungefähr gleich großen Internetsuchmaschinen-Anbieter Seznam und Google einen Umsatz-Unterschied von mindestens 74 Millionen Euro geben könne.

Die Antwort liefert Lidovky.cz gleich nach und schreibt: „Die Berichterstattung zum Umsatz und Gewinn bei Google ist problematisch, weil es von der Art der Internet-Firma kommt, welche ohne Rücksicht auf Landesgrenzen ihre Dienste anbietet“.

Das heißt nichts anderes, als dass im Zentrum der Lösung des Umsatzrätsels für Tschechien, wie für so viele andere Google-Länder stehe, dass Google eben die Rechnungslegung für in Tschechischen erwirtschaftete Umsätze und Gewinne in Steueroasen wie Irland haben könne. Das heißt: Tschechische Anzeigenkunden von Google überweisen ihr Geld eben nicht auf ein Konto in Tschechien, sondern zum Beispiel nach Irland. Der Umsatz wäre dann in einer Steueroase angefallen und nicht in Tschechien.

Wie hoch ist das Gesamtvolumen des Internetmarkts in Tschechien?

Jedenfalls lässt sich SPIR-Direktorin Catherine Hrubešová mit den Worten zitieren, wonach man nun die tschechischen Behörden gebeten habe, das Gesamtmarktvolumen von Google in Tschechien neu zu berechnen, da man von Google keine oder keine glaubhaften Auskünfte erhalten habe. Deshalb sei es auch für den Berufsverband nicht möglich, bezüglich Google realistische Umsatz- und Gewinnangaben für die Tscheche Republik auszuweisen.

Auch der Sprecher der Tschechischen Generaldirektion für Finanzen, Peter Petlachová, wird in Lidovky.cz zitiert und zwar mit den Worten, wonach man für Steuerprüfungen laufend Anreize erhalte und zwar durch Bürger, Unternehmen, Institutionen und Medien.

Auch für Italien hatte Google erstaunlich niedrige Miniumsätze angegeben. So hatte Google – eine Tochter der börsennotierten Holding Alphabet – behauptet, man habe in Italien im Jahr 2014 gerade einmal einen Umsatz von 54,4 Millionen Euro erwirtschaftet und darauf 2,2 Millionen Euro Steuern bezahlt. Doch hatten die italienischen Finanzbehörden diese Angaben bezweifelt und Google der massiven Steuerhinterziehung bezichtigt. Erst daraufhin hatte Google in Italien, wie kürzlich in Großbritannien, Steuern nachbezahlt.

EU ermöglicht umfangreich Steuerflucht der Großkonzerne

Immer wieder weisen Google-Kritiker darauf hin, wonach es die EU-Regierungen seien, die Steuerschlupflöcher und Umsatz-Schlupflöcher durch eine veraltete Steuergesetzgebung in der Europäischen Union ermöglichten.

Zwar hatte Ende Januar 2016 Großbritannien mit 31 anderen Staaten – darunter sind selbst Länder wie Südafrika – eine Vereinbarung unterzeichnet, wonach man künftig supranationale Konzerne wie Google, Facebook, Starbucks, Microsoft, Apple, Netflix oder Amazon dazu zwingen wolle, Umsätze auch dort in Rechnung zu stellen und zu versteuern, wo sie erwirtschaftet wurden. Doch bis diese Vereinbarung in Gesetze gegossen ist, dürfte noch reichlich Wasser die Isar hinunterfließen.

Der Generalsekretär der OECD, Angel Gurría, kommentierte die neue Steuervereinbarung mit den Worten: „Im Rahmen dieser Vereinbarung werden die Informationen zwischen den Steuerbehörden miteinander geteilt, so dass sie ein einziges Gesamtbild der wichtigsten Indikatoren der multinationalen Unternehmen ergeben. Es ist ein notwendiges Instrument, um dafür sorgen zu können, dass die Unternehmen ihren fairen Anteil an Steuern bezahlen.“ Damit schaffe man letztlich, so Gurría, ein wirksames Mittel zur Bekämpfung von Steuerhinterziehern.

Bermuda Inseln könnten auf EU-Sanktionsliste kommen

Neben Irland schiebt Google unter anderem über die Bermuda Inseln große Beträge seiner jährlich erwirtschafteten Umsätze und Gewinne. Doch gilt zunehmend für die Bermudas, wie für die Steueroase Schweiz: Der internationale Druck auf solche Steuerschlupflöcher nimmt zu. So kündigte kürzlich die faktische EU-Regierung, die Europäische Kommission an, sie denke darüber nach, die Bermudas auf eine europäische Sanktionsliste zu setzen.

Auch in Russland erklärte der Kreml in Moskau, man wolle künftig für eine Steuergleichheit zwischen allen in Russland tätigen Unternehmen sorgen, wozu ebenso Unternehmen wie Google, Apple, Netflix oder Facebook gehörten. All diese Unternehmen wolle man künftig dazu zwingen, ihre Rechnungen in Russland zu stellen und auf die dort erwirtschafteten Umsätze einen Mehrwertsteuersatz von 18 Prozent zu zahlen. Dieser Steuersatz gilt auch für inländische russische Unternehmen.

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Von Elke

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