Frankreichs Parlamentarier gelten unter Europas Politikern als Spitzenverdiener. Viele fragen sich: Ist das gerecht und zeitgemäß?
Frankreichs Parlamentarier gelten unter Europas Politikern als Spitzenverdiener. Viele fragen sich: Ist das gerecht und zeitgemäß?

Die französischen Nationalparlamentarier erhalten mit Zulagen in einer Legislaturperiode – die in Frankreich fünf Jahre dauert – ein Einkommen von rund einer Millionen Euro. Das ist in Europa ein einmalig hoher Betrag. Hinzu kommt, dass ein Großteil des Geldes steuerfrei ist. Ein Buch schlägt nun vor, dieses für die Mitglieder im Oberhaus zu ändern.

Im Gespräch ist, dass die Steuerprivilegien der Senatoren im Oberhaus grundlegend reformiert werden. Doch das ist nach einer Untersuchung des investigativen Journalisten Ivan Stefanovic gar nicht so einfach. Denn noch bevor seine Vorschläge auf breiter Ebene öffentlich diskutiert werden, schlägt das Empire zurück: So sollen einige Senatoren mit Verleumdungsklagen gegen den Reformator gedroht haben, allen voran der Präsident des Senats.

Dennoch gibt es hohe Politiker, die sich vor den Buchautor stellen. Hierzu gehört der ehemaligen Quästor des Senats, Alain Anziani. Er sagte:

„Ich denke, es gibt mit der Reform ein Sterblichkeitsrisiko in Bezug auf den Senat. Es hängt von unserer Fähigkeit ab, transparent zu sein. Es genügt schon, dass die Franzosen nur das Gefühl haben, dass die Politiker Dinge verstecken.“

Bereits Anfang 2015 hatte Anziani erklärt, er sehe gar eine hohe Dringlichkeit, das Oberhaus zu reformieren.

Besonders stört die Kritiker, dass hohe politische Ämter, so auch jene im Senat, perfekt seien, um sich sein persönlichen Steuerparadies zu schaffen. Detailliert legte hierfür Journalist Stefanovic ein Buch vor (Editions du Rocher), das im Juni 2016 in Frankreich erschienen ist. Darin führt er auf, wie die Senatoren zwar üppig mit Steuerprivilegien überschüttet werden, aber diese in zahlreichen Fällen ihres Amtes gar nicht würdig seien.

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So seien chronische Fehlzeiten beispielsweise nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Die Budgets seien aber mit oder ohne Fehlzeiten „undurchsichtig“ und die „steuerlichen Privilegien übermäßig“. Das System, kritisiert der Journalist, sei in seiner Intransparenz gar nicht so weit weg von Nordkorea. So nennt er denn auch Frankreichs Spitzenpolitiker im Senat als „Schmarotzer“, „faul“, „Halunken“, „faule Könige“, beziehungsweise – in Bezug auf einen speziellen Senator – als „Prinz von faulen Umweltschützern.“

Schon einmal hatte ein ähnliches Buch im Jahr 2008 die französische Politik-Spitze wachgerüttelt, das ebenfalls den Finger in die Wunde legte. Erschienen war das Buch, welches unter dem Motto, „Die Super-Privilegierten der Republik“ stand, ebenfalls in der Editions du Rocher. Zwar hatte noch im März 2015 der Senatspräsident Gérard Larcher gesagt, er starte „eine Reform zur Verbesserung der Effizienz und Transparenz“.

Doch passiert ist in den vergangenen 18 Monaten nichts dergleichen. Nach wie vor erhalten auch permanent abwesende Senatoren im Jahr über 50.000 Euro (bis zu 4400 Euro pro Monat) nahezu steuerfrei. Hinzu kommen weitere steuerfreie Zulagen bis zu 7210 Euro pro Monat, ebenso 165 Euro steuerfreie Zuschüsse für den Wohnsitz.

All das sei, so Stefanovich, „ein unglaublich nützlicher Steuerstatus für die Parlamentarier und Senatoren“. Beide Politik-Gruppen erhielten in Summe monatliche Zulagen von rund 11.350 Euro netto, also steuerfrei. Hinzu komme der parlamentarische Grundlohn, der – damit der Schein angeblich nicht so hoher Diäten gewahrt wird – bei niedrigeren 5514 Euro brutto liege.

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Letztlich, so Journalist und Buchautor Ivan Stefanovic, sei dieses ganze Verwirrspiel ein einziger „Justizskandal“.

Die genannten Beträge sind aber für Frankreichs Parlamentarier noch nicht die Spitze des Eisbergs: Hinzu kommen kostenlose First-Class-Tickets in unbeschränkter Höhe für Frankreichs Bahn und weitere 7.548 Euro pro Monat für die Büromiete in Paris. Außerdem gibt es bis zu 40 Flugreisen pro Jahr (Hin- und zurück) geschenkt. Wozu? Damit die Parlamentarier ihre Wähler in ihren Wahlkreisen aufsuchen können.

Autor Stefanovic kommt denn auch zu dem Fazit:

„Wie können wir eine solche Verzerrung zwischen den Franzosen akzeptieren? Eine solche Ungleichheit vor Steuern?… In den Tagen des alten Regimes hatte es buchstäblich ähnliche Privilegien gegeben. Genau diese Steuervorteile sind schockierend, da Parlamentarier davon profitieren, die selbst die Gesetze dazu verabschieden und gleichzeitig stimmen die Senatoren über neue Steuern für die Bürger ab. Es ist unglaublich.“

Der Senat in Frankreich sei längst ein „Krebs der Hohen Versammlung“, zumal im Schnitt 20 Prozent der Senatoren, etwas 70 Parlamentarier, nicht regelmäßig zu Treffen in der Kammer kämen. Stefanovic schlägt vor, dass im Rahmen eines ersten Minimalkonsenses Fehlzeiten sich prozentual abgestuft negativ mindestens auf die Zulagen auswirken sollten.

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Bislang liegt die Strafe auch bei exorbitant hohen Fehlzeiten bei gerade einmal 710 Euro pro Monat. Man müsse aber darüber nachdenken, mindestens bis zu 40 Prozent oder darüber hinaus Zulagen für Fehlzeiten zu streichen. Die in der Vergangenheit unternommenen Schrittchen zu einer Reform der Steuerparadiese im Parlament und Senat seien deutlich zu wenig und in einer „homöopathischen Dosis“ erfolgt, kritisiert Autor Ivan Stefanovic in seinem Reformbuch.

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Von Elke

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