Luxemburg gilt als Steuerparadies für Großkonzerne. Doch das sorgt nun auch für juristischen Ärger.
Luxemburg gilt als Steuerparadies für Großkonzerne. Doch das sorgt nun auch für juristischen Ärger.

Kommentar – Ein Luxemburger Gericht hat nun zwei ehemalige Mitarbeiter der Unternehmensberatung und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers, bekannt auch als PwC, zu niedrigen Bewährungsstrafen und niedrigen Geldstrafen verurteilt.

Angeklagt worden waren die beiden mittlerweile entlassenen PwC-Mitarbeiter Antoine Deltour und Raphaël Halet. Sie sollen 45.000 Seiten geheime Geschäftsunterlagen von PricewaterhouseCoopers gestohlen und an die Medien weitergereicht haben.

Die Unterlagen betrafen im wesentlichen Verträge und sonstige Unterlagen, die dokumentierten, wie internationale Großkonzerne mit Hilfe luxemburgischer Gesetze umfangreich Steuern sparen. Allerdings waren alle in den Geschäftsdokumenten dargestellten Prozesse rechtlich legal, argumentiert PricewaterhouseCoopers.

PwC, sowie die in den Unterlagen betroffenen Unternehmen, werfen entsprechend Antoine Deltour und Raphaël Halet vor, sie hätten durch die Entwendung der Geschäftsunterlagen gegen rechtlich geschützte Geschäftsgeheimnisse verstoßen. Deshalb hätten sie kriminell agiert, da die Unternehmensberatung sowie Kunden massiv geschädigt worden seien.

Das Bezirksgericht Luxemburg folgte dieser Sichtweise im wesentlichen. Allerdings blieb es mit den Strafmaßnahmen erheblich unter dem juristisch möglichen.

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So verhängte es gegen Antoine Deltour eine recht niedrige zwölfmonatige Haftstrafe, die obendrein zur Bewährung ausgesetzt wird. Hinzu kommt eine letztlich lächerlich niedrige finanzielle Geldbuße von gerade einmal 1.500 Euro. Dies entspricht einem durchschnittlichen Tagessatz eines PwC-Unternehmensberaters.p

Die Geldbußen sind lächerliches Taschengeld für Unternehmensberater

Denn Unternehmensberater von PricewaterhouseCoopers stellen im Schnitt täglich zwischen 1000 und 2500 Euro beim Kunden in Rechnung. Die Jahreseinkommen höherer PwC-Unternehmensberater kommen auf Jahresgehälter von 200.000 Euro bis über eine Millionen Euro. Wie viel die beiden entlassenen und nun in Luxemburg verurteilten ehemaligen PwC-Mitarbeiter verdienten, ist nicht bekannt.

Der zweite Angeklagte, Raphaël Halet, wurde jedenfalls ebenfalls zu einer Bewährungsstrafe, jedoch nur von neun Monaten verurteilt und muss ebenso eine Taschengeldbuße in Höhe von 1500 Euro bezahlen. Ohne eine Strafe davon kam der Journalist Antoine Perrin, der die geheimen Geschäftsunterlagen von PricewaterhouseCoopers veröffentlicht hatte.p

Das Gerichtsurteil in Luxemburg ist zu schwach

Wir sind der Meinung: Eine moderne Industriegesellschaft lebt von Geschäftstätigkeit. Nur das sichert Arbeitsplätze und Wohlstand. Man kann nicht auf der einen Seite gegen einen Edward Snowden oder den ehemaligen US-Soldat im Irak, Bradley Manning, wegen Whistleblowertum diese mit lebenslanger Haft versehen oder bedrohen.

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Und auf der anderen Seite soll der Volkssport „Weitergabe von Geschäftsgeheimnissen an die Presse“ straffrei bleiben. Deshalb ist auch die Empörung von Politikern über das jetzt in Luxemburg ausgesprochene Gerichtsurteil doppelbödig und verlogen.

Denn aus Sicht der Politik scheint zu gelten: Whistleblower ja, aber bitte nicht bei uns in der Politik und unseren Behörden. So darf in Deutschland ein Journalist nicht einmal aus ihm zugespielten Strafverfahrens-Akten zitieren, wenn er sich nicht selber strafbar machen möchte.

Aber wenn Mitarbeiter von Unternehmen ihren eigenen Arbeitgeber durch Weitergabe von Geschäftsunterlagen legaler Geschäftstätigkeiten an die Presse oder Politik schädigen, soll das komplett straffrei sein?

Das kann und darf nicht sein. Dies würde Justiz und einen Rechtsstaat ad absurdum führen. Dass sich neben Politikern einige Massenmedien über das  Gerichtsurteil in Luxemburg empören, mit dem Argument, es handele sich ja nicht um Kriminelle, sondern um dem Allgemeinwohl dienendes „Whistleblowern“, ist ebenfalls letztlich doppelbödig. Denn Diebstahl bleibt Diebstahl. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung hatte angesichts des aktuellen Luxemburger Gerichtsurteils gar von einem „Justizirrtum“ gesprochen.

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Diebstahl ist Diebstahl

Angesichts des Ausmaßes des Schadens für PricewaterhouseCoopers sind die Urteile viel zu niedrig. Letztlich geht es nämlich darum, dass hier umfangreich Geschäftsgeheimnisse verraten worden sind. Und Geschäftsgeheimnisse unterliegen weltweit nun einmal dem Schutz. Es kann nicht sein, dass Geschäftsunterlagen – auch wenn sie einem persönlich nicht gefallen – einfach an die Presse weitergegeben werden dürfen, ohne dass dieses juristische Konsequenzen hat.

Mit der Veröffentlichung geheimer PwC-Geschäftsunterlagen aus den Jahren 2012 und 2014 war bekannt geworden, dass Luxemburg es Großkonzernen ermöglicht, in dem Herzogtum Gewinne teils mit weniger als einem Prozent zu versteuern. Ebenfalls war bekannt geworden, dass auch andere EU-Staaten mit ähnlichen Steuersätzen Unternehmen abwerben und die Gesellschaften um Steuereinnahmen bringen.p

Whistleblower sind Whistleblower, wenn sie illegale Dinge in Politik und Gesellschaft aufdecken. Deshalb sind die ehemaligen Mitarbeiter von PricewaterhouseCoopers keine Whistleblower. Denn nicht PwC hat die Steuergesetze in Luxemburg erlassen, sondern der Gesetzgeber – unterstützt durch mangelnde Regulierungen in der Europäischen Union.

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Von Elke

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