Schwieriges Thema: Müssen Prostituierte angestellt werden oder nicht?
Schwieriges Thema: Müssen Prostituierte angestellt werden oder nicht?

Das Berliner Massen-Bordell Artemis ist in der Szene weltweit bekannt und berüchtigt. Als vor wenigen Monaten die Polizei mit einer Hundertschaft von 400 Personen dort eine Razzia machte, lautete der Vorwurf: Steuerhinterziehung. Seitdem saßen die türkischen Betreiber in U-Haft.

Doch die U-Haft wurde für die Artemis-Betreiber jetzt wieder aufgehoben, sie konnten am Freitag um 16:07 Uhr die Tore des bekanntesten Berliner Gefängnisses, der Justizvollzugsanstalt Moabit (JVA), verlassen. Stunden vorher parkten, berichtet die Berliner Boulevardzeitung B.Z., Luxuskarossen vor dem Gefängnis. Darin hätten Freunde der Artemis-Betreiber gesessen, welche zum Empfang der aus der Haft Entlassenen gekommen seien.

Nach Einschätzung der B.Z. sei „nach vier Monaten alles verpufft“. Die Berliner Staatsanwälte, welche dem mehrstöckigen Vergnügungspalast Steuerhinterziehung im Bereich der anschaffenden Prostituierten vorgeworfen hatten, scheinen sich verzettelt zu haben. Dabei waren sich diese noch vor Monaten sicher, einem mafiösen Ring von Scheinselbständigkeit hinterher zu sein. Grund:

Da die anschaffenden Damen regelmäßig mit Dienstplänen an die Bars und mit der männlichen Kundschaft in die Betten gingen, sei von einer Steuerpflicht auszugehen und entsprechend auch von Sozialabgaben. Doch seien die Abgaben im „Artemis“ nicht in dem Ausmaß geleistet worden wie es gesetzlich vorgeschrieben sei, sagten die Staatsanwälte.

Neben den beiden Artemis-Betreibern waren deshalb auch vier „Bardamen“ verhaftet worden. Medien hatten vor vier Monaten angesichts der Razzia im Artemis berichtet, es handele sich um eine „der größten Razzien in der Hauptstadtgeschichte“. Angeblich hätten die Bordell-Betreiber nach Aussagen der Staatsanwälte 20 Millionen Euro Steuern hinterzogen.

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Bordell-Betreiber hatten sich gegen Vorwurf der Sozialabgaben-Hinterziehung von Anfang an gewehrt

Schon damals hatten aber die Anwälte der Brodell-Betreiber gesagt, wonach man dem Vorwurf der Hinterziehung von Sozialabgaben nicht folgen könne. Vielmehr habe man nachweislich Steuern bezahlt und auch, wo notwendig, Sozialabgaben geleistet. Zudem habe man sich regelmäßig Betriebsprüfungen unterzogen.

Damit, so argumentierten die Artemis-Macher weiter, habe man eben verhindern wollen, dass man sich dem erheblichen strafrechtlichen Steuervorwurf aussetze, man hinterziehe durch die Beschäftigung von „Scheinselbständigen“ Steuern. Dass ihnen der Betrieb eines Erotik-Tempels mit Prostituierten im Einklang mit dem Gesetz gelungen ist, scheint nun ein Berliner Kammergericht bestätigt zu haben. Dies schreibt jedenfalls die B.Z. mit Blick auf die Prostituierten:

„Nach Aktenlage würden sie offenbar sehr wohl als freiberufliche Prostituierte tätig sein. Dies sei auch durch zahlreiche Zeuginnen nach der Durchsuchung bestätigt worden. Außerdem hätten die Betreiber mit den Behörden immer gut kooperiert. Sie seien sogar auf das Finanzamt zugegangen, um die Problematik der Beschäftigung von Prostituierten zu erörtern.“

Auch deshalb habe es im Vorfeld der Razzia regelmäßige Kontrollen durch das Berliner Hauptzollamt, das Landeskriminalamt sowie das Finanzamt gegeben. Genau damit hätten die Betreiber sicher stellen wollen, dass sie alles richtig machten.

Im Gegensatz zur Praxis vor 20 Jahren und in noch früheren Zeiten ist es heute nicht mehr möglich, Mitarbeiter sozialabgabenfrei auf einer permanenten mehr oder weniger gleichen Ebene dauerhaft auf Rechnung zu beschäftigen, wenn diese nicht nachweislich auch einer anderen Tätigkeit nachgehen. Das macht die früher weit verbreiteten dauerhaften monatlichen Pauschalvergütungen für Selbständige schwierig.

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Schwieriger Übergang bei Selbständigkeit zu Scheinselbständigkeit

Dies gilt sowohl für Türsteher, Kassierer in Pornokinos oder anderen Erotik-Läden, oder eben für Prostituierte, welche ihre Dienste in Tanzbars, Bordellen oder über Webdienste dauerhaft und zu festen Zeiten anbieten. Jeder Arbeitgeber der solche Personen beschäftigt, muss gegenüber dem Finanzamt belegen können, dass es keine scheinselbständig Beschäftigten sind.

Schon kleine Betriebe, die beispielsweise einer angeblich selbständigen Person über einen Zeitraum von zwei Jahren monatlich 2.500 Euro pauschal überweisen, können hier pro Scheinselbständigen inklusive Strafzinsen leicht auf nachträglich zu zahlende Beträge von 250.000 Euro und mehr kommen. Hinzu kommen in aller Regel U-Haft für den Geschäftsführer.

Die Berliner Staatsanwaltschaft könnte nun ihrerseits in Haft genommen werden

Für die Berliner Staatsanwaltschaft könnte die Beendigung der U-Haft für die Betreiber des Artemis zweierlei bedeuten: Zum einen, dass die Vorwürfe der Scheinselbständigkeit sich auch in weiteren Gerichtsverfahren als unbegründet darstellen. Zum anderen, dass die Vorwürfe nach wie vor bestehen, aber nicht ausreichend belegt werden konnten und deshalb die U-Haft beendet wurde, auch da von keiner Fluchtgefahr oder Verdunkelungsgefahr mehr ausgegangen wird.

Der Leiter der zuständigen Berliner Staatsanwaltschaft hatte vor vier Monaten den Betreibern des Artemis vorgeworfen, sie würden nach Art des legendären amerikanischen Mafia-Gangsters Al Capone glauben, sie könnten am Staat vorbei ihr Reich führen.

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Die B.Z. schreibt denn auch, wonach „die Staatsanwaltschaft vor einem Scherbenhaufen“ stünde. Statt Kampf gegen die Unterwelt könnten also schon bald Köpfe rollen – nur nicht bei den Bordell-Betreibern, sondern in den Reihen der Justiz.

Hinzu kommt: Gut möglich, dass sich die Artemis-Betreiber nun mit einer Klage auf Schadensersatz an die Berliner Staatsanwaltschaft wenden. Denn einen gewissen Rufmord am Artemis scheint man nicht komplett von der Hand weisen zu können. Hinzu kommen die erheblichen Einnahmeausfälle während der Zeit der Schließung.

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Von Elke

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