Das Berliner Bundesfinanzministerium legt sich mit NGOs wie Attac an.
Das Berliner Bundesfinanzministerium legt sich mit NGOs wie Attac an.

Das von Dr. Wolfgang Schäuble (CDU) geführte Bundesfinanzministerium will der wirtschaftskritischen internationalen NGO „Attac“ in Deutschland die Gemeinnützigkeit aberkennen lassen. Einen Richterspruch des Finanzgericht Kassel akzeptiert man offensichtlich in Berlin nicht.

Würde das Bundesfinanzministerium im Falle „Attac“ Erfolg haben, würde man den Globalisierungskritikern primär die Möglichkeit nehmen, Spenden für die Spender steuerlich vorteilhaft zu bestätigen.

Auf Anweisung des Bundesfinanzministeriums hat deshalb nun das Finanzamt Frankfurt erklärt, man wolle einen bereits gefällten Richterspruch, welcher Attac die Gemeinnützigkeit bestätigt hatte, höchstrichterlich zu Fall bringen, beziehungsweise grundsätzlich nochmal klären lassen.

Die Finanzverwaltung Frankfurt am Main ist deshalb nun angehalten, vor dem Bundesfinanzhof gegen das globalisierungskritische Netzwerk Attac vorzugehen und die Gemeinnützigkeit erneut juristisch prüfen zu lassen.

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Das CDU-geführte Bundesfinanzministerium erklärte am Donnerstag. „Es geht dabei um einen Fall, der von so grundsätzlicher Bedeutung ist, dass wir eine höchstrichterliche Entscheidung wollen.“

Bemerkenswert: Das Finanzgericht Kassel hatte bereits 2016 Attac die Gemeinnützigkeit bescheinigt und keine Revision zugelassen.

Am Mittwoch vergangener Woche war nun die schriftliche Begründung für die Gerichtsentscheidung des Finanzgericht Kassel beim Bundesfinanzministerium eingetroffen.

Dass man sich dort bereits gegen Attac warmgelaufen hatte, lässt die ungewöhnlich blitzschnelle Entscheidung erkennen, die Nicht-Revisionsentscheidung des Finanzgericht Kassel im Fall Attac anfechten zu wollen.

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Das deutet darauf hin: Das Urteil scheint man nicht groß studiert und ausgewertet zu haben. Vielmehr scheint des Bundesfinanzministerium im Berlin bereits vorab seine Entscheidung der Revisions-Umgehung gefällt zu haben.

Dirk Friedrichs vom Attac-Trägerverein ist über das Verhalten des Bundesfinanzministeriums entsetzt.

Er sagte, wonach das Ministerium seine Energie lieber „in die wirksame Bekämpfung von Geldwäsche und Steueroasen“ stecken solle, „statt zivilgesellschaftliches Engagement massiv zu erschweren“.

Für Attac steht sehr viel auf dem Spiel. Lässt nämlich der Bundesfinanzhof eine Revision zu, kann Attac weitere fünf Jahre lang für Unternehmen oder Privatpersonen keine für die Spender vorteilhafte Spendenbescheinigung ausstellen.

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Das bedeutet: Normalerweise können Privatpersonen oder Unternehmen Spenden zu 50% steuerlich absetzen. Das geht aber nur gegen eine entsprechende Spendenbescheinigung.

Die „Allianz Rechtssicherheit für politische Willensbildung“, ein Bündnis von Stiftungen und Vereinen, attackierte das vom CDU-Mann Schäuble geführte Bundesfinanzministerium für sein Vorgehen gegen Attac. So erklärte das Bündnis, man gehe einerseits von politischen Motiven aus.

Andererseits könne es nicht Aufgabe von Gerichten sein, zu klären, was gemeinnütziges Engagement sei. Diese Klärung sei Aufgabe der Politik, so Stefan Diefenbach-Trommer, Vorstand des Bündnisses.

Die Allianz Rechtssicherheit für politische Willensbildung tritt dafür ein, dass das Gesetz für Gemeinnützigkeit in Deutschland generell überarbeitet wird und beispielsweise auch lokales politisches Engagement als gemeinnützig anerkannt werde.

So lauten die Forderungen der Allianz:

„Die in der Allianz zusammengeschlossenen Organisationen verfolgen langfristig das Ziel eines modernen Gemeinnützigkeitsrechts. Dazu beteiligen sich die Mitglieder der Allianz an einer umfassenden Debatte über Ziele und Regelungen. Ihr erstes Ziel ist es aber, den unhaltbaren Zustand der Rechtsunsicherheit im bestehenden Rechtsrahmen abzuwenden.“

Hierfür schlage man die folgenden Schritte vor:

Die Abgabenordnung (AO) müsse so geändert werden, dass die politische Willensbil­dung durch zivilgesellschaftliche Organisationen den angemessenen Rechtsrahmen er­halte und alle entsprechenden Ziele als gemeinnützig anerkannt würden.

Dazu müsse § 52 (Gemeinnützige Zwecke) der Abgabenordnung (AO) an mehreren Stellen geändert werden:

In Satz 1 müsse die Formulierung „Eine Körperschaft verfolgt gemeinnützige Zwe­cke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern“, durch den Zusatz „oder demokratischem“ erweitert werden.

Zudem seien die in der Auflistung des Absatzes 2 genannten gemeinnützigen Tätigkeiten durch Themen zu erweitern, welche die folgenden Bereiche förderten:

  1. Grund­rechte
  2. Frieden
  3. Soziale Gerechtigkeit
  4. Klimaschutz
  5. Informationelle Selbstbestimmung
  6. Menschenrechte
  7. Gleichstellung der Geschlechter.

Das in Aufzählungsnummer 24 genannte Verbot, kommunalpolitische Ziele zu verfol­gen, solle ersatzlos gestrichen werden.

Zudem solle der Zusatz „im Geltungsbereich dieses Gesetzes“ ebenfalls ersatz­los gestrichen werden. Er behindere grenzübergreifendes Engagement.

In § 58, der steuerlich unschädliche Betätigungen behandelt, solle in der AO aufgenommen werden, „dass die Beteiligung an der politischen Willensbildung unschädlich für die Gemeinnützigkeit“ sei.

Einige in den vergangenen Jahren in den § 51 der Abgabenordnung eingefügten Bestimmungen seien hingegen wieder zu streichen:

Die in Abs. 2 gemachte Beschränkung

  • wonach eine Tätigkeit im Ausland nur dann gemeinnützig sei, wenn die geförderten Personen ihren Wohnsitz in Deutschland hätten oder wenn sie zum Ansehen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland beigetragen würden.

Zu streichen sei ebenfalls der folgende Passus in Absatz 3:

  • wonach bei Körperschaften, die im Verfassungs­schutzbericht des Bundes oder eines Landes als extremistische Organisation aufgeführt seien, widerlegbar davon auszugehen sei, dass die Voraussetzungen des Satzes 1 nicht erfüllt seien. Diese also nicht als gemeinnützig anerkannt werden dürften.

Die Befürchtung beim Verfassungsschutz scheint primär zu sein: Dass Verfassungsbehörden auch politisch motiviert tätig werden und deshalb die Gefahr besteht, dass hier eine Art politisch motivierte Black List entsteht, eine Art moderner Index mit Geächteten.

Die Änderung der deutschen Abgabenordnung erfordert ein Gesetzgebungsverfahren. Ein erster „hilfreicher Schritt“ könne aber bereits vorher durch den Bundesminister der Finanzen getan wer­den, so die „Allianz Rechtssicherheit für politische Willensbildung“.

So könne das Bundesfinanzministerium „mit einem Federstrich die Rechtssicherheit für zivilgesellschaftliche Or­ganisationen“ deutlich erhöhen. Dies könne dergestallt geschehen, indem es „den Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) von den Beschränkungen zur Beeinflussung der staatlichen Willensbildung“ be­freie.

Der Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) zu § 52 der Abgabenordnung (AO) und dort die Randnummmer 15, könne neu lauten, dass eine politische Tätigkeit für die Gemeinnützigkeits-Anerkennung unschädlich sei auch für den Fall, wenn:

  1. Sie mit einer politischen Zielset­zung verbunden ist.
  2. Eine unmittelbare Einwirkung auf die politischen Parteien und die staatliche Willensbildung weit in den Hintergrund tritt und primär eine Förderung des gemeinnützigen Zwecks im Vordergrund steht.

Das Bundesfinanzministerium führte wiederum aus: Gemeinnützig seien keine Organisationen, die sich primär politisch für eine Gesellschaft engagierten. Ein Kampf gegen die sozialen Auswirkungen des Globalismus sei kein primär gemeinnütziger Zweck.

Attac selber definiert seine Betätigungsbereiche wie folgt:

Globalisierung könne, so Attack, auch ganz anders gehen. So könnten sowohl der Mensch als auch die Natur vor dem Profitstreben stehen.

Attac schreibt, wonach „immer mehr Menschen wahrnehmen“ würden, „dass die Veränderungen und Probleme in unserer zusammenwachsenden Welt zunehmen“ würden.

Insbesondere beobachte man:

  1. Die Schere zwischen arm und reich gehe immer weiter auf.
  2. Weltweit litten Millionen Menschen an Hunger.
  3. Viele Menschen arbeiteten unter menschenunwürdigen Bedingungen.
  4. Kinder würden in Armut aufwachsen.
  5. Unternehmen und Konzerne schrieben Rekordgewinne und würden dennoch tausende MitarbeiterInnen entlassen.
  6. Politiker und Gewerkschaften schienen dagegen machtlos.
  7. Bildung, Wissen, Gesundheit, Altersvorsorge würden privatisiert und damit vom Allgemeingut zum Luxusobjekt werden.
  8. Das Klima verändere sich in rasendem Tempo, aber gegen den Ausstoß von Treibhausgasen scheine es kein Mittel zu geben.
  9. Um gefragte Rohstoffe würden Kriege geführt.

Diese Entwicklungen seien kein Naturgesetz, sondern die Folge politischer Entscheidungen: Entscheidungen, die man „nicht tatenlos hinnehmen“ dürfe. Politik könne hier gegensteuern auch künftig „ganz anders aussehen“. Attack wolle Impulse in der Gesellschaft geben.

Dem Attac-Netzwerk hätten sich nach Angaben der Organisation mittlerweile 90.000 Mitglieder in 50 Ländern angeschlossen.

Attack verstehe sich, schreibt die Organisation auf ihrer Homepage, „als Teil einer globalen Bewegung“.

Auch in Deutschland bilde „Attac ein breites gesellschaftliches Bündnis, das von den Gewerkschaften Verdi und GEW über den Umweltverband BUND oder die katholische Friedensorganisation Pax Christi bis hin zu kapitalismuskritischen Gruppen“ reiche.

Mitglieder und Aktive von Attac setzten sich ein, dass für die Politik und Wirtschaft die folgenden Ziele vorrangig sein sollten.:

  1. Die Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen.
  2. Die Förderung von Selbstbestimmung und Demokratie.
  3. Der Schutz der Umwelt.

Attac setze sich also primär „für eine ökologische, solidarische und friedliche Weltwirtschaftsordnung“ ein.

Woher kommt der Name A-t-t-a-c?

Attac ist die Abkürzung für den französischen Ausdruck ‚Vereinigung zur Besteuerung von Finanztransaktionen im Interesse der BürgerInnen‘ (association pour une taxation des transactions financières pour l’aide aux citoyens).

Gründungs-Ausgangspunkt war, dass sich Attac-Mitglieder anfangs dafür einsetzen wollten, dass eine sogenannte Tobin-Steuer, also eine Steuer zur Eindämmung kurzfristiger Börsenspekulation, international eingeführt werden solle.

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Von Herbert

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