Saudi-Arabien ist ein erzkonservativer islamischer Staat. Hier das Haus Allahs in der Moschee von Mekka im muslimischen Kaaba. (Bild: pixabay.com | CC0 Creative Commons)
Saudi-Arabien ist ein erzkonservativer islamischer Staat. Hier das Haus Allahs in der Moschee von Mekka im muslimischen Kaaba. (Bild: pixabay.com | CC0 Creative Commons)

Kommentar – Saudi-Arabien ist ein Land, das wie wenige auf der Welt für ein mittelalterliches Feudalsystem steht: Der Staat bin ich sagt immer der Diktator, der gerade an der Macht ist. Das gilt auch für den aktuellen Diktator, Salman, der sich, wie schon seine sechs Vorgänger, als „König“ ausgerufen hat.

Nun hat der Sohn des Diktators, Mohammed bin Salman, der sich als „Kronprinz“ sieht, obwohl in Saudi-Arabien bislang in keinem einzigen Fall der Sohn des Diktators automatisch der Nachfolger seines Vaters wurde, sich einem Gespräch der New York Times gestellt, das über weite Strecken aber sehr gefällig wirkt. (1)

In dem Interview sucht er sich jovial zu geben und spielt seine aus Sicht von Demokraten an Terror erinnernde Massenverhaftungen herunter. Das Interview hatte Thomas Friedman geführt.

In dem Gespräch behauptet bin Salman, 32, einmal mehr, es gehe ihm lediglich um die Korruptionsbekämpfung, die in Saudi-Arabien bislang erfolglos gewesen sei. Deshalb hätte ihn sein Vater vor zwei Jahren beauftragt eine „Anti-Korruptions-Kommission“ zu leiten.

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Und diese Kommission habe es sich angeblich im Kampf gegen angebliche Korruption nicht einfach gemacht, ehe sie in Massenverhaftungen 200 Mitglieder des Herrscherclans verhaftete. 200 von geschätzt 7000. Die 200 Personen sollen angeblich in Riads Luxushotel Ritz festgehalten werden.

Auf die Frage der New York Times, ob der aktuelle Diktator („König“) die Massenverhaftungen nicht nutze, um Konkurrenten zu entfernen, antwortete der „Kronprinz“ Mohammed bin Salman, diese Frage empfände er „als komisch“.

Auch im Mittelalter diente U-Haft als Folter zur Erpressung von „Geständnissen“

Dabei ist bekannt: Im Mittelalter erpresste man Geständnisse, auch die „freiwillige“ Hergabe des eigenen Vermögens, durch Folter.

Dieses Mittel gibt es auch heute noch – in Form von U-Haft. Die nicht umsonst auch als Beugehaft genutzt wird. Denn mit U-Haft kann der Druck dermaßen erhöht werden, dass die in U-Haft Befindlichen zu jedem Geständnis bereit sind.

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Vor allem in Ländern wie Saudi-Arabien, wo sowieso mit keinem rechtsstaatlichen Verfahren zu rechnen ist.

Deshalb sind die Worte des Diktatoren-Vertreters Mohammed bin Salman sicher mit Vorsicht zu genießen, wenn er in der New York Times nun palavert:

„Die prominenten Mitglieder der Häftlinge im Ritz haben bereits ihren Verkauf und ihre Unterstützung für seine Reformen angekündigt, und die große Mehrheit der herrschenden Familie steht in seiner Linie.“ Mit seiner ist der aktuelle Diktator Salman gemeint.

Weiter erklärte der Diktatorensohn:

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„Unser Land hat seit den 1980er Jahren immer unter Korruption gelitten und unsere Experten schätzen, dass fast 10 Prozent der Staatsausgaben im letzten Jahr von Korruption in beiden Klassen unterschlagen wurden: hoch und hart. Im Laufe der Jahre hat die Regierung mehr als einen Krieg gegen die Korruption gestartet, aber alle sind gescheitert. Warum? Weil all diese Kampagnen in der Arbeiterklasse bis hinauf in die prestigeträchtigen Klassen begannen wurden. “

Weiter führte Mohammed bin Salman aus, wonach sein Vater 2015, als der zum neuen Diktator von Saudi-Arabien von einem Zirkel der 20 ernannt worden sei, erklärt habe, er würde die Korruption bekämpfen.

„Mein Vater fühlte, dass es nicht möglich ist, innerhalb der Gruppe der Zwanzig zu bleiben, während unser Land auf dieser Ebene der Korruption wächst .. In dem früheren Monaten des Jahres 2015 waren die ersten Aufträge, die mein Vater an sein Team gab, alle Daten die auf Korruption in der obersten Schicht hindeuten, zu sammeln… Das Team hat dafür zwei Jahre gearbeitet, bis sie die genauesten Informationen gesammelt hatten. Am Ende standen 200 Namen.“

Nach dieser Recherche hätte man schließlich den „Generalstaatsanwalt“ der Diktatur Saudi-Arabien eingeschaltet.

Terrorstaat Saudi-Arabien hat festgestellt…

Dabei habe man dann festgestellt, dass „1% der Verdächtigen“ in der der Lage gewesen seien, „ihre Unschuld zu beweisen“. Da habe man die Anklage fallen lassen. Weitere 4% hätten die Korruptionshandlungen bestritten und Anwälte und ein Gericht gefordert.

Die anderen, das scheint offensichtlich, haben sich durch die Maßnahmen im Terrorstaat Saudi-Arabien, wo die Todesstrafe verhängt werden kann, dermaßen einschüchtern lassen, dass sie scheinbar ohne ausgiebige übliche Rechtsverfahren sich enteignen ließen. Anders kann das Interview des Diktatorensohns kaum interpretiert werden.

Angeblich sei man sich schon jetzt sicher, so Mohammed bin Salman, dass die 200 Verhafteten „bereit“ wären, 100 Milliarden US-Dollar ihres Vermögens an den Staat zu überweisen und Unternehmensbeteiligungen zu verkaufen.

Die der Korruption Bezichtigen hätten unter anderem Bestechungsgelder gezahlt, um Staatsaufträge zu erhalten, behauptet bin Salman weiter.

Gleichzeitig kündigte der Diktatorensohn an, der Islam würde weiterhin die Staatsreligion in Saudi-Arabien bleiben und solle noch weiter auf seine Fundamente zurückgeführt werden. Deshalb arbeite man an der Interpretation des Islams, der dann für alle Saudi-Araber bindend sei:

„Sagen Sie nicht, dass wir wieder an Interpretation des Islam arbeiten, aber wir arbeiten daran, den Islam zu seinen Ursprüngen zurückzuführen und dass der Prophet Muhammad das wichtigste unserer Werkzeuge im [Alltag] in Saudi-Arabien vor dem Jahr 1979 war“.

Angriff auf gemäßigten „König Fahd“?

Warum er gerade das Jahr 1979 nennt, ist noch nicht klar. Fakt ist: Es ist wahrscheinlich eine Anspielung auf den ab 1982 regierenden gemäßigten saudischen Herrscher Abd al-Aziz, der im Westen als König Fahd bekannt wurde. Fahd regierte zwischen 1982 bis 2005.

Durchschaubar Sand in die Augen des Westens streut der Diktatorensohn Salman auch, indem er behauptet, dass im Koran Frauen und Männer doch immer gleich behandelt würden, angeblich auch Andersgläubige. Eine Gleichbehandlung von Männern und Frauen, auch von Andersgläubigen, habe es angeblich zu Zeiten des Propheten Mohammed geheißen, behauptet er im Interview mit der New York Times:

„Es waren Männer und Frauen vorhanden, die zusammen sind und es gab Respekt für Christen und Juden in der arabischen Halbinsel.“

Und es gibt ein Saudi-Arabien vom heutigen Schnitt, wo auf Homosexualität die Todesstrafe steht, wo Frauen erst 2017 die Erlaubnis erhielten überhaupt Auto fahren zu dürfen.

Und es gibt ein Saudi-Arabien, wo öffentlichen Todesstrafen durch den Strang vom Staat inszeniert werden und wo die saudische Staatsgestapo allgegenwärtig ist und verhindert, dass jemand Fotos oder Videoaufnahmen von den Hängenden macht.

Denn auch darauf stehen härteste Strafen im Terrorstaat Saudi-Arabien. Sicher kein Zufall war es auch, dass Terrorfürst Osama bin Laden aus einer saudiarabischen Familie stammt.

Und auch das ist Realität: In Deutschland würde ein Antikorruption-Verfahren gegen nur einen einzigen Multimillionär in der Regel viele Jahre dauern. In Saudi-Arabien behauptet der Diktatorensohn von der New York Times recht unkritisch hinterfragt, er hätte in nur 2 Jahren, gleich 200 Verfahren faktisch abgeschlossen.

Kritiker aus dem Weg räumen oder genügen wirklich 3,7 Tage für eine Korruptionsuntersuchung?

Ein Jahr hat 365 Tage. Wenn stimmt, was Diktatorensohn Mohammed bin Salman sagt, dass bereits Anfang 2015 der Auftrag zu den Massenverhaftungen gegeben wurde, heißt das: Die Untersuchungen währten rund zweidreiviertel Jahre, also rund 730 Tage. Macht also einen durchschnittlichen Untersuchungszeitraum von 3,7 Tagen pro Beschuldigten.

Die ARD sendete am Mittwoch einen dreistündigen Film zum Thema Mohammed und Fanatismus. Darin wird geschildert, wie ein Deutscher sich zum Islam bekehrt und in Syrien Mitglied der IS wird, um nach Deutschland zurückzukehren, um hier Terroranschläge zu machen.

Um aber nicht falsch verstanden zu werden: Auch wir gehen davon aus, dass es in Saudi-Arabien Korruption bis in die höchsten Ämter gibt. Wir glauben aber nicht, dass das Verfahren in Saudi-Arabien rechtsstaatlich ist. Wir glauben auch nicht, dass wirklich alle der 200 Verhafteten schuldig sind, sondern dass hier ein ganz offensichtlicher Versuch vorliegt, Kritiker des Systems oder der aktuell Regierenden aus dem Weg zu räumen.

Einzelnachweise

(1) Saudi Arabia’s Arab Spring, at Last The crown prince has big plans to bring back a level of tolerance to his society, von Thomas L. Friedman, in: New York Times vom 23. November 2017. Abgerufen am 24. November 2017

(1) لأول مرة.. محمد بن سلمان يتحدث عن توقيف مسؤولين متهمين بالفساد ويصف خامنئي بـ”هتلر”, übersetzt, Zum ersten Mal .. Mohammed bin Salman spricht über die Verhaftung von Korruptionsverdächtigen und beschreibt Khamenei als Hitler, in: eremnews.com vom 23. November 2017. Abgerufen am 24. November 2017.

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