Ulrich Leitermann, Vorsitzender der Vorstände der SIGNAL IDUNA Gruppe. (Foto: SIGNAL IDUNA, Presse)
Ulrich Leitermann, Vorsitzender der Vorstände der SIGNAL IDUNA Gruppe. (Foto: SIGNAL IDUNA, Presse)

Ein Kunde der Signal Iduna (Signal Iduna Lebensversicherung a. G.) traute Mitte 2018 seinen Augen nicht. Jahrelang hatte er seine staatlich steuerlich geförderte Betriebliche Altersvorsorge über den Versicherungsriesen laufen lassen und Dutzende Tausend Euro einbezahlt.

Doch ein Jobwechsel macht nun eine Einzahlpause notwendig, weshalb er von der Versicherung einen entsprechenden Brief und Fragebogen zugesandt bekommen hatte.

In dem Brief, wohl bewusst im öden 80er Jahr-Schreibmaschinenstil gehalten ganz nach dem Motto: Hoffentlich wird er nicht zu intensiv gelesen, stand zunächst:

„Sehr geehrter Herr xy, Sie erhalten wie gewünscht die Unterlagen zum Thema Versicherungsnehmerwechsel. Bitte senden Sie uns die Unterlagen ausgefüllt und unterschrieben zurück. Gerne beantworten wir Ihre Fragen. Sie erreichen uns von Montag bis Freitag in der Zeit von 7 Uhr bis 19 Uhr. Wir freuen uns auf Ihren Anruf.“

Auf den folgenden Seiten war von Signal Iduna ein Formular hinterlegt, das vom Stil her aussieht, wie ein Finanzamts-Formular. Darauf stand: die Überschrift „Versicherungsnehmer-Wechsel für bAV„.

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  • Neben allgemeinen Fragen, wie der aktuellen Anschrift wurden Dinge abgefragt, wer beispielsweise ein „Bezugsrecht für den Erlebenfall“ habe.
  • Zudem konnte der Versicherungsnehmer der Betrieblichen Altersvorsorge von Signal Iduna unterschreiben, dass er für die nächste Zeit seinen Vertrag „beitragsfrei fortgeführt“ haben wolle.

So weit, so relativ üblich. Unüblich war dann aber eine weitere Zusatzseite, auf welcher der Signal Iduna-Kunde in Minischrift, geschätzt Arial 8 oder 7, folgendes präsentiert bekam, wobei die Schrifttype für die erbetene Unterschrift, also die „Erklärung und Unterschrift Vermittler“ größer gehalten wurde.

Auf dieser komplett leseunfreundlich gehaltenen Seite, die wie übliche AGB-Anhangsseiten daherkam, stand unter anderem folgendes:

„Soweit es zu vertragsbezogenen Beratungszwecken erforderlich ist, kann der Sie betreuende Vermittler Informationen darüber erhalten, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen (z.B. Annahme mit Risikozuschlag, Ausschlüsse bestimmter Risiken), Ihr Vertrag angenommen werden kann.

Der Vermittler, der Ihren Vertrag vermittelt hat, erfährt, dass und mit welchem Inhalt der Vertrag abgeschlossen wurde. Dabei erfährt er auch, ob Risikozuschläge oder Ausschlüsse bestimmter Risiken vereinbart wurden.

Bei einem Wechsel des Sie betreuenden Vermittlers auf einen anderen Vermittler kann es zur Übermittlung der Vertragsdaten mit den Informationen über bestehende Risikozuschläge und Ausschlüsse bestimmter Risiken an den neuen Vermittler kommen. Sie werden bei einem Wechsel des Sie betreuenden Vermittlers auf einen anderen Vermittler von der Weitergabe von Gesundheitsdaten informiert sowie auf Ihre Widerspruchsmöglichkeit hingewiesen.“

Opt Out ist eigentlich seit 2012 verboten

Zwar ist seit 2012 für Online-Unternehmen jegliches Opt-Out verboten, doch das scheint nicht für Versicherungskonzerne zu gelten, die schriftlich Kunden zwingen, ein aktives Opt-Out zu setzen, nämlich in den AGBs einen Absatz oder mehrere rauszustreichen, wenn diese folgende üble riskante Passagen nämlich nicht unterschreiben wollen.

So steht im Brief der Signal Iduna Versicherung weiter:

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„Einwilligung in die Erhebung und Verwendung von Gesundheitsdaten und Schweigepflichterklärung: Die Regelung des Versicherungsvertragsgesetzes des Bundesdatenschutzgesetzes sowie anderer Datenschutzrichtlinien enthalten keine ausreichenden Rechtsgrundlagen für die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von Gesundheitsdaten durch Versicherungen. Um Ihre Gesundheitsdaten für diesen Antrag und den Vertrag erheben und verwenden zu dürfen, benötigt die ausgewählte Versicherung daher Ihre datenschutzrechtliche Einwilligung. Darüber hinaus benötigt die ausgewählte Versicherung Ihre Schweigepflichtentbindungen, um Ihre Gesundheitsdaten bei schweigepflichtigen Stellen, wie z.B. Ärzten, erheben zu dürfen. Als Unternehmer der Lebensversicherung benötigt die ausgewählte Versicherung Ihre Schweigepflichtentbindung ferner, um Ihre Gesundheitsdaten oder weitere nach § 203 Strafgesetzbuch geschützten Daten, wie z.B. die Tatsache, dass ein Vertrag mit Ihnen besteht, an andere Stellen, z.B. Assistancegesellschaften, HIS-Betreiber oder IT-Dienstleister weiterleiten zu dürfen…“.

  • Des weiteren schiebt Signal Iduna seinem Kunden folgende Passage unter:

„Ich willige ein, dass die ausgewählte Versicherung meine Gesundheitsdaten und sonstigen nach § 203 StGB geschützten Daten in den oben genannten Fällen – soweit erforderlich – an den für mich zuständigen Versicherungsvermittler übermittelt und diese dort erhoben, gespeichert und zu Beratungszwecken genutzt werden dürfen.“

Weiter versucht die Signal Iduna durch die Hintertüre unter Punkt 4. des Schreibens an den Kunden  folgendes diesem abzunötigen, nämlich eine Zustimmung zur Speicherung und nahezu grenzenlosen Verwendung von Gesundheitsdaten selbst für die übergangsweise Stilllegung einer Betrieblichen Altersvorsorge. So stimme man über eine versteckte Opt Out-Regel zu, dass Signal Iduna folgendes dürfe:

„Speicherung und Verwendung Ihrer Gesundheitsdaten, wenn der Vertrag nicht zustande kommt“.

  • Zudem heißt es:

„Kommt der Vertrag mit Ihnen nicht zustand, speichert die ausgewählte Versicherung Ihre im Rahmen der Risikoprüfung erhobenen Gesundheitsdaten für den Fall, dass Sie erneut Versicherungsschutz beantragen. Außerdem ist es möglich, dass die ausgewählte Versicherung zu Ihrem Antrag einen Vermerk an das Hinweis- und Informationssystem meldet, der an anfragende Versicherungen für deren Risiko- und Leistungsprüfung übermittelt wird (siehe Ziffer 3.4). Die ausgewählte Versicherung speichert Ihre Daten auch, um mögliche Anfragen weiterer Versicherungen beantworten zu können. Ihre Daten werden bei der ausgewählten Versicherung und im Hinweis- und Informationssystem bis zum Ende des dritten Kalenderjahres nach dem Jahr der Antragsstellung gespeichert.“

Außerdem schiebt die Signal Iduna Betriebliche Altersvorsorge-Versicherung folgendes Opt-Out dem Kunden in die Schuhe:

„Ich willige ein, dass die ausgewählte Versicherung meine Gesundheitsdaten – wenn der Vertrag nicht zustande kommt – für einen Zeitraum von drei Jahren ab dem Ende des Kalenderjahres der Antragstellung zu den oben genannten Zwecken speichert und nutzt.“

Immerhin war die Signal Iduna Versicherung so fair, noch kurz vor der Unterschrift auf ihre so im Internet wohl eher nicht zulässige Opt-Out-Version hinzuweisen, indem sie in dem uns vorliegenden Kundenschreiben kleingedruckt ausführt:

„Bevor Sie diese ‚Erklärung zum Wechsel des Versicherungsnehmers‘ unterschreiben, lesen Sie bitte die vorstehenden Ermächtigungen und Erklärungen, insbesondere die ‚Einwilligung in die Erhebung und Verwendung von Gesundheitsdaten und Schweigepflichterklärung‘. Sie sind wichtiger Bestandteil des Vertrages. Sie machen diese mit Ihrer Unterschrift zum Inhalt dieser Erklärung.“

Verbraucher willigt nicht ein

Unser Leser strich aber die dubiosen frechen verbraucherunfreundlichen Passagen zur Speicherung und Weitergabe an Dritte von Gesundheitsdaten durch und schrieb:

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„Ich willige da nicht ein, da ich bei Ihnen lediglich eine Altersvorsorge habe!“

Dazu muss man auch wissen: Bei Abschluss der Betrieblichen Altersvorsorge hatte der Versicherungsnehmer keine Gesundheitsprüfungen durchführen müssen.

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Ein Gedanke zu „Signal Iduna will für Betriebliche Altersvorsorge Gesundheitsfragen-Weitergabe haben“
  1. Die einzige wirklich wichtige Information fehlt: welche in Sachen Gesundheitsfragen relevante Leistung war mitversichert? Wenn so etwas enthalten war, zumindest eine Beitragsbefreiung (und warum sollte die Signal andernfalls Gesundheitsfragen beantwortet haben wollen?) ist nach einer längeren Beitragsfreistellung (mehr als 6 Monate; auch der Zeitraum wird im ansonsten sehr langatmigen Artikel nicht genannt) vollkommen üblich, erneut Gesundheitsfragen beantworten zu müssen. Mein Eindruck: da wollte irgendwer einfach einen Skandal selbst konstruieren – und das mit null Inhalt, verpackt in massenhaft irrelevante Zitate.

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