Handel bedeutet nicht nur die Industrieproduktion. Im virtuellen Handel werden auch Hunderte Milliarden Euro umgesetzt - doch wird das häufig nicht in die Handelsbilanz inkludiert. (Bild: pixabay.com)
Handel bedeutet nicht nur die Industrieproduktion. Im virtuellen Handel werden auch Hunderte Milliarden Euro umgesetzt – doch wird das häufig nicht in die Handelsbilanz inkludiert. (Bild: pixabay.com)

Das Bundeswirtschaftsministerium in Berlin habe geprüft, ob eine Absenkung der Mehrwertsteuer zum Abbau des aus US-Sicht umstrittenen deutschen Handelsüberschusses beitragen könne. Das berichten Medien.

Die deutsche Mehrwertsteuer (MwsT) gehört mit 19% weltweit zu den höchsten.

Das Ergebnis der Prüfung im Vorfeld der Bundestagswahl im September 2017 sei aber gewesen:

Nein, man gehe nicht davon aus, dass eine Senkung der Mehrwertsteuer eine Senkung des Handelsüberschusses mit den USA zur Folge habe. Dies schrieb die Sonntagszeitung „Welt am Sonntag“ (WamS) am Wochenende.

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Die Mehrwertsteuerhöhe ist in Deutschland traditionell zur Bundestagswahl ein Dauerbrenner.

Noch in den 1970er Jahren lag sie in Westdeutschland bei 12%. In den 1980er Jahren dann bei 13%. Heute muss jeder Deutsche bereits fast jeden fünften Euro im Rahmen von Konsumausgaben für die Steuer abdrücken.

Zusätzlich zur Lohnsteuer und zahlreicher weiterer Steuern oder Gebühren.

Der Krieg um Exporte und Importe, insbesondere um Exportüberschüsse oder Importüberschüsse, ist so alt, wie das Wirtschaftssystem modernen Zuschnitts in Europa: Mindestens 500 Jahre alt.

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Begonnen hatte alles mit den Kolonien in Übersee: Mit der gewaltsamen und aus heutiger Sicht völkerrechtlich illegalen europäischen Besetzung von drei Vierteln der Welt.

Sie ging einher mit der Ermordung und Versklavung Dutzender Millionen Menschen weltweit, welche sich den neuen Herren aus Europa nicht fügen wollten.

Das ist auch heute noch einer der Hauptgründe für Hass gegen den Westen in arabischen Ländern wie Afghanistan, dem Irak, der saudischen Halbinsel, in Tunesien, Ägypten oder in Syrien.

Vor allem England hatte über Jahrhunderte mit dem Mittel der Seeblockade bei Exporten und Importen nach Europa oder aus Europa hinaus bis zum Zweiten Weltkrieg versucht, für sich mit militärischer Gewalt wirtschaftspolitisch immer das Beste herauszuholen.

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Ähnlich agierten die anderen großen Kolonialbesitzer, wobei sie in der militärischen Seemacht alle England unterlegen waren:

Die aufstrebenden USA (welche seit dem Ersten Weltkrieg Deutschlands asiatische Kolonien wollten), Frankreich, Spanien, die Niederlande oder Portugal.

„Lebensraum“ für das eigene Land erobern zu wollen, war ja keine Erfindung von Adolf Hitler für das nationalsozialistische Dritte Reich. Auch wenn in der deutschen und internationalen westlichen Geschichtsschreibung gerne getan wird, als wäre es das.

Fakt ist: Zusätzlichen Lebensraum für Absatzmärkte und Märkte zur Rohstoffgewinnung oder sonstiger Handelswaren zu finden, das war der zentrale Beweggrund aller Kolonialstaaten-Besitzer. Es war das Rückgrat des modernen Westens, eigentlich auch schon im Antiken Rom.

Darauf fußt der enorme Wohlstand, welchen sich die Engländer und sonstigen Europäer über Jahrhunderte aufbauen konnten. Richtig mächtig wurde Europa aber im Zusammenspiel mit der technologischen und militärischen Überlegenheit, ohne die man die Welt gar nicht versklaven und besetzen hätte können.

Die Perversion des Kolonialsystems wird am deutlichsten am Beispiel Indiens : So musste der riesengroße Subkontinent an seine Besatzermacht England billig Wolle exportieren, um sie dann teuer wieder zu importieren. Ähnlich agierten die USA Anfang des 20. Jahrhunderts, als sie Kuba besetzt hielten und ausbeuteten.

Beobachter sind heute einiger denn je: Der einseitige Handel Europas und Großbritanniens war einer der Kernauslöser für den Ersten Weltkrieg und den Zweiten Weltkrieg. Denn es ging um Wohlstandsverteilung in der Welt.

Klagen über deutsche oder britische Handelsüberschüsse in der Welt haben eine lange Tradition. Vor allem in den USA. Schon in den 1930er Jahre beschwerte sich darüber der damalige US-Präsident Franklin Roosevelt.

Nachzulesen ist das in einem sehr spannenden Buch unter dem Titel „1939. Der Krieg der viele Väter hatte. Der lange Anlauf zum Zweiten Weltkrieg“ von Gerd Schultze-Rohnhof (lau verlag, 670 Seiten).

Der Autor war 37 Jahre lang Soldat bei der Deutschen Bundeswehr. In den letzten Jahren seines Berufslebens arbeitete er sogar als Generalmajor und Territorialer Befehlshaber für Niedersachsen und Bremen.

Schultze-Rhonhof zitiert in seinem Buch jedenfalls Roosevelt, der von 1933 bis 1945 Präsident der USA war.

Dank des von ihm veranlassten Abwurfs zweier Atombomben über Japan wird er von vielen seither als einer der schlimmsten Kriegsverbrecher der Geschichte angesehen. Von anderen wird er als Erlöser des Zweiten Weltkriegs gefeiert.

Das Buch, aus welchem Schultze-Rhonhof zitiert, ist von Roosevelts Sohn geschrieben, von Elliot Roosevelt. Es wurde 1946 veröffentlicht:

„As He Saw It“ (Duell, Sloan and Pearce, New York 1946). Das Werk erschien später auch auf deutsch unter dem Titel „Wie er es gesehen hat“.

Schultze-Rohnhof zitiert in „1939. Der Krieg der viele Väter hatte. Der lange Anlauf zum Zweiten Weltkrieg“ auf den Seiten 283 und 284 Franklin Roosevelt mit den Worten:

„Britische und deutsche Bankiers haben den Welthandel für eine ziemlich lange Zeit in ihre Taschen laufen lassen. … Wenn deutsche und britische wirtschaftliche Interessen in der Vergangenheit zusammengearbeitet haben, um uns vom Welthandel auszuschließen, unsere Handelsschifffahrt niederzuhalten, uns von diesem oder jenem Markt auszuschließen, wenn Deutschland und Großbritannien jetzt Krieg gegeneinander führten, was sollten wir tun… Will irgendwer behaupten, dass Deutschlands Versuch, den Handel in Mitteleuropa zu dominieren, nicht einer der Hauptgründe für den Krieg war“.

Grund: England habe, so Schultze-Rhonhof, stets keine zu große Macht auf dem europäischen Kontinent geduldet und habe deshalb durchaus aktiv einen Krieg mit Deutschland gesucht.

Dies sei schon im Ersten Weltkrieg so gewesen und auch im Zweiten Weltkrieg. Stets habe der Handel dabei eine ganz zentrale Rolle gespielt.

Das wird auch in einem weiteren Zitat in dem Buch „1939. Der Krieg der viele Väter hatte. Der lange Anlauf zum Zweiten Weltkrieg“ deutlich.

So zitiert Gerd Schultze-Rohnhof den britischen General und Historiker John F. C. Fuller. Dieser hatte wiederum in seinem 1950 erschienen Buch „The Second World War“ ebenfalls bestätigt, dass im Zentrum des Konflikts im Zweiten Weltkrieg auch die Handelsfrage zwischen Deutschland und Großbritannien war.

Fullers Werk war 1995 auf deutsch erschienen und zwar unter dem Titel „Der Zweite Weltkrieg“ (Humboldt-Verlag, Wien-Stuttgart).

Schultze-Rohnhof zitiert jedenfalls Fuller auf Seite 284 mit den Worten:

„Hitlers Traum war daher ein Bündnis mit Großbritannien… Ein solches Bündnis war jedoch unmöglich, hauptsächlich deshalb, weil unmittelbar nach Hitlers Machtergreifung dessen Wirtschaftspolitik des direkten Tauschhandels und der Exportprämien dem britischen und amerikanischen Handel einen tödlichen Streich versetzte.“

All das bedeutet: Mit der Frage von Handelsüberschüssen, beziehungsweise von Exportüberschüssen in die USA oder nach Großbritannien, muss sich Deutschlands Politik schon seit über 100 Jahren immer wieder auseinandersetzen. Es ist eine hochexplosive Frage über Sein oder Nichtsein ganzer Nationen.

Handel bedeutet nämlich nichts anderes als Reichtum oder Armut einer Nation, der Welt. Das weiß wohl derzeit niemand besseres, als einer, der mit Handel zu den 3000 reichsten Menschen der Welt wurde: US-Präsident Donald Trump.

Trump, der seine deutsche Wurzeln gerne verleugnet, ist aber nur einer in einer langen Reihe amerikanischer Präsidenten, welche den Handel als zentrales politisches Thema sahen. Genauso, wie es die Herrschenden in Europa während der 500 Jahre Kolonialzeit taten.

Was Trump allerdings heute außen vorlässt:

Er rechnet in der Handelsbilanz, ähnlich wie es leider Deutschland und die sonstige EU machen, überwiegend die Konsum- und Industriegüter auf.

Dabei werden Hunderte Milliarden Euro, welche im E-Commerce von den Amerikanern im Rahmen digitaler Monopole, wie sie Google (Alphabet-Holding), Amazon, Ebay, Facebook, Apple oder Microsoft haben, überwiegend außen vorgelassen. Das ist falsch.

Exporte oder Importe dürfen und können im digitalen Zeitalter nicht nur physisch gesehen werden. Die größten Vermögen der Welt basieren heute auf virtuellen Werten. Und die sind fast alle in den USA. Der Blick auf die Börsenwerte der größten Konzerne der Welt macht das immer und immer wieder drastisch klar.

Fakt ist: Der komplette E-Commerce in der EU, also auch in Deutschland, wird von den USA dominiert.

Es sind die USA, welche die Spielregeln vorgeben, auch, wie viel jeder in Deutschland im Internet verdienen darf und kann. Deshalb ist die aktuelle Debatte um angebliche deutsche Handelsüberschüsse, welche die USA Deutschland vorwerfen, auch verlogen.

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Von Tim

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