Friede Springer in einer Medienmitteilung des Springer Konzerns.
Friede Springer in einer Medienmitteilung des Springer Konzerns.

Kommentar zur Axel Springer SE – Alles muss raus, alles muss weg. Das ist ein typisches Verhalten von einer bestimmten Fraktion von Menschen, die ins Alter kommen. Die Mutter von einem Freund von mir ist so. Ihr Mann bekleidete in einem Weltkonzern in der deutschen Niederlassung in Hamburg über viele Jahre eine Top-Management-Funktion.

Er brachte das Geld. Sie sorgte für ein ordentliches, gemütliches aber auch sehr aufgeräumtes Zuhause. Wer da ist, muss sich rechtfertigen, wenn man die Dusche benutzen möchte. Denn die Wassertropfen an der Luxus-Duschkabine kann niemand so gut wegbekommen wie sie selber. Doch hinterherputzen will sie auch nicht jedem: Helga.

Letzthin verkaufte sie, 75 Jahre, mit ihrem Mann, 78 Jahre, ihr Haus. Wenn man nicht aufpasste, wurden selbst die Videofilme aus den Kindheitstagen ihrer eigenen Kinder von ihr weggeschmissen. Das Motto des Muttertiers, das sie immer gewesen war: Bloß alles raus. Alles muss weg. Mitnehmen kann man ins Grab eh nichts. Meint sie.

Auch ihr Grab will sie anonym: Kommt doch eh keiner der beiden Söhne, von denen einer in den USA lebt. Meint sie ebenfalls. Und hat damit vielleicht sogar Recht. Immerhin: Ihre Grabesstelle hat sie für sich und ihren Mann schon ausgesucht. Auf einer Wiese zwischen Birken. Hier weht nach dem Ableben der Eltern meines Freundes nur noch der Wind.

Es ist eine klassische deutsche Wohlstandsfamilie der oberen Gegend. Und wenn sie könnten, würden sie sich sogar selbstbestimmt erschießen. Statt darauf zu warten, dass der liebe Gott sie vielleicht irgendwann dement und krank werden lässt, wovor sie panische Angst haben.

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Video dokumentiert die Milliarden-Übƒergabe an Döpfner

Die Psyche von Helga passt irgendwie zu dem, was man derzeit von Unternehmerin Friede Springer mitbekommt, die eben nicht nur, wie sie gerne kokettierte, „nur ihre Brille“ verlege. In einem Video, das gleichzeitig wohl eine Art rechtliche Dokumentation sein soll, dass bei Friede noch alles in Ordnung ist, erklärte sie gemeinsam mit Springer-CEO Mathias Döpfner:

Sie sei glücklich, dass sie ungefähr die Hälfte ihrer eigenen in 35 Jahren so hart erkämpften Milliarden-Anteile am Springer Konzern Mathias Döpfner, dem CEO, schenken könne. Sie machte ihn also über Nacht zum Milliardär. Es war der krönende bisherige Abschluss der Selbst-Entmannung von Friede Springer, die einstmals über eine satte Mehrheit am Hause Springer von rund 55% verfügte. In kürzester Zeit hat sie diese aber unter dem ganz offensichtlich massiven emotionalen Einfluss von Mathias Döpfner um rund 30 Prozent der Anteile gekürzt.

Anteile, die sie in Fehden über Jahre erkämpft hatte die ihresgleichen suchen. Sie ist eine Kriegerin, eine Kämpferin. Das hat die auch noch heute überaus attraktive Frau über Jahrzehnte bewiesen. Sie ist aber eben auch eine Frau. Eine Frau, die sich natürlich, auch wenn sie das nie zugeben würde, in Mathias Döpfner verliebt hat. Schon vor Jahren.

Jesusartige Entsagung führt zu emotionaler Einsamkeit

Damit ist Friede Springer Opfer ihrer selbstauferlegten geradezu jesusartigen Entsagung von sonstigem privaten Liebesleben. Sie betet den Konzerngründer Axel Springer an wie einen Heiligen. Klar, ihm hat sie alles zu verdanken. Das Geld, den goldenen Turm in bester Lage in Berlin-Kreuzberg. Die Macht. Das Ansehen. Diese Weltzentrierung. Dieses tägliche Märchen-Leben im umkämpften Paradies in einer Welt, die immer mehr im Chaos zerbricht. Corona war da nur das letzte I-Tüpfelchen.

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Aber dieses Anbeten führt auch zu emotionaler Einsamkeit. Und diese Kälte füllt seit bald 20 Jahren ein Mann aus, der offensichtlich über höchste emotionale Intelligenz verfügt. Mathias Döpfner. Jeder Psychologe weißt, dass eine solche Konstellation des emotional Stärkeren – von Döpfner – leicht zum Nachteil des emotional Schwächeren – hier von Friede Springer – führen kann. Döpfner spielt auf der Klaviatur Friede Springer virtuos-gekonnt.

Glaubt man den Medien, so hatte die langjährige Anwältin und Notarin von Friede Springer, die Berlinerin Karin Arnold, in den vergangenen Jahren noch verzweifelt versucht, Friede in einen sicheren Hafen zu bringen im Sinne von: Wirf nicht ohne Not über Deinen Tod hinaus nun alles über Bord, was Du Dir in Jahrzehnten aufgebaut hast.

„Dabei hätten die Anteile ebenso in einer Stiftung verbleiben können“

Alles hat Friede Springer mit der Weggabe eines Großteils ihres Vermögens in die Hände von Döpfner nicht weggeschmissen. Aber vieles eben doch. Dabei hätten die Anteile ebenso in einer Stiftung verbleiben können. Diese hätte dann die anteiligen Gewinne und Dividenden des Springer Konzerns zum Wohle der Gemeinschaft, von sozialen Projekten, ausschütten können. Trotzdem hätte eine solche Stiftung, mit den richtigen Leuten besetzt, Axel Springer konstruktiv und professionell auf dem schwierigen Weg durchs digitale Zeitalter weiter begleiten können. Geht bei Bertelsmann und vielen anderen Familien-Weltreichen auch.

Friede Springer will künftig, teilte sie mit, Nachmittags ihre Zeit der Friede Springer Stiftung widmen, die nun eben weniger schlagkräftig wird, als sie hätte sein können. Ihre Stellvertreterin in der Springer Stiftung ist Karin Arnold, die ihre eigene Berliner Anwaltskanzlei für Wirtschaftsrechts betreibt, „ARNOLD ANWÄLTE“.

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Friede Springer selbst lässt sich auf der Homepage ihrer eigenen Stiftung als letzte im siebenköpfigen Kuratorium nennen, dem da angehören: Marianne Birthler, Prof. Dr. med. Manfred Gahr (Technischen Universität Dresden), Prof. Dr. Horst Köhler (Bundespräsident a.D.), Prof. Dr. Christoph Markschies (Humboldt-Universität zu Berlin), Prof. Dr. Joachim Sauer (Ehemann von Angela Merkel, Humboldt-Universität zu Berlin), Dr. Eric Schweitzer (Vorstandsvorsitzender der ALBA Group plc & Co. KG) und eben Dr. h.c. Friede Springer. [1]

In 1000 Jahren nicht vorgekommen, dass Milliarde so verschenkt wurde

Es ist in den vergangenen 1000 Jahren weltweit kein einziger Fall bekannt (zumindest uns nicht), wo eine Milliardärin ihren Geschäftsführer selbst zum Milliardär machte, indem sie ihm ohne Not rund die Hälfte ihrer Anteile schenkte. Das ist „Guinness-Buch der Rekorde„-Verdächtig. Und klingt irgendwie etwas irre.

Allenfalls in der Schweiz gibt es einen ähnlich obskuren Fall. Hier hatte die EMS Chemie eine unfähige Eignerfamilie. Geschäftsführer der EMS Chemie war damals der Jurist Christoph Blocher. Er zieht seit 20 Jahren die Strippen der Schweizer SVP, der „Schweizerische Volkspartei“. Sie ist gewissermaßen eine Art Schweizer Schwesterpartei der deutschen AfD. Mit nur einem Unterschied: Dass die Schweizer nicht in jeder Zeile schreiben, die SVP sei rechtsradikal, obwohl sie es de Fakto weitgehend doch ist.

Und jener Blocher ist heute, fast wie Döpfner, Milliardär, nur eben Multimilliardär. Ihm gelang es, die Eignerfamilie der EMS Chemie in den 1980er Jahren davon zu überzeugen, dass ihre EMS Chemie angeblich so wertlos sei, dass sie nicht einmal Käufer fände. Käufer, die Blocher selbst hätte finden sollen.

In der Schweiz gibt es einen Herrn Blocher, der könnte Döpfner die Hand reichen

Schließlich gelang es dem fuchsschlauen und windigen Blocher die Eignerfamilie der EMS Chemie davon zu überzeugen, dass es doch einen Notanker als Käufer geben könne: Ihn selber, Blocher.

Das nötige Kapital habe er sich beschafft und habe entsprechende Partner, teilte er damals der Eignerfamilie sinngemäß mit. Dieser Schachzug machte ihn zum Multimilliardär und die Eignerfamilie der EMS Chemie dürfte sich noch heute darüber ärgern. Denn plötzlich ging es mit EMS Chemie wieder bergauf. Blocher lässt die Schweizer wöchentlich an seinem TV-Talk teilhaben, den er in seinem eigenen digitalen Fernsehsender verbreitet: „Blocher TV“, beziehungsweise „Teleblocher | Das Blocher-Prinzip“. Hier sehen wir ihn mal an einem Luxuspool sitzen, dann wieder in einem Art Kaminzimmer.

So zieht er fast wöchentlich über die EU her, Ausländer, Fremdregierungen, unfähige Politiker. Immer in schönem Schwyzerdütsch. Immer schön volksnah gestikulierend. Ansonsten sieht man sein Bild in den lokalen Wochenzeitungen, die er im Zuge der Zeitungskrise aufkaufte. Hier philosophiert er fast Woche für Woche in seiner Kolumne, wie die Schweizer Regierung alles besser machen könnte, wenn sie nur auf ihn, Blocher, hören würde.

Die Queen of England regiert auch mit über 90 noch erfolgreich

Dabei ist seine von ihm stark geprägte SVP selber Mitglied jener Schweizer Bundesregierung. Hört man Christoph Blocher öffentlich nicht, so tritt seine Tochter Magdalena Martullo-Blocher poltrig öffentlich auf – auch eine Multi-Milliardärin. Legendär ist ein YouTube-Video indem sie in miserablem englisch einen Manager auf einem EMS Chemie Management Seminar öffentlich anfährt. [2]

Warum, so könnte man fragen, muss es denn ein gleichberechtigtes Anteils-Agieren im Springer Konzern zwischen Friede Springer und Mathias Döpfner geben, wie dieser im online zu sehenden TV-Interview mit Friede Springer einem glauben machen möchte?

Es hätte doch auch ein normales Angestellten-Haupteigner Verhältnis bleiben können. Egal, ob Friede Springer nun 78 Jahre ist oder 90. Dann hätte die Queen of England schon längst den Stab übergeben müssen. Andere Super-Konzerne schaffen es auch, über ihren eigenen Tod hinaus die Firmenanteile so zu institutionalisieren, dass diese die Zeit nach dem Ableben der Eigner sinnvoll und zum Wachstum des Unternehmens beitragen.

Suggestiv, als sei nichts ohne Döpfner bei Springer noch möglich

Doch Döpfner suggeriert der Öffentlichkeit und erfolgreich Friede Springer, als sei das bei Springer nicht möglich. Als sei Springer nur denkbar mit ihm, Mathias Döpfner, als superreicher und supermächtiger Lordsiegelbewahrer.

Das ist natürlich Quatsch. Und das Wachstum von Springer ist den vergangen 20 Jahren nun auch nicht gerade durch die Decke gegangen. Doch in welchem Medienhaus ist es das? Aber Rationalität kann diesem Thema nicht beikommen. Fakt ist: Mathias Döpfner ist Dank der Liebe von Friede Springer zu ihm superreich und supermächtig. Bezahlt wird er schon lange nicht mehr so, wie es normalerweise Manager in Deutschland, in Europa werden. Er spielt ganz oben mit in der Liga der Top-Verdiener der USA. So schrieb 2018 der Mediendienst kress unter der Schlagzeile „Rekord-Vergütung für Döpfner und Co.“ [3]:

„Axel Springer bezahlt sein Management in der Medienbranche mit Abstand am besten, zeigt eine Gehaltsanalyse in der aktuellen Ausgabe von „kress pro“. 2017 erhielten die vier Vorstände von Axel Springer zusammen 31,7 Millionen Euro. Aktienoptionen und Pensionszusagen kommen noch obendrauf.“

Das dicke Einkommen im Springer-Vorstand

Zudem hätte „2016… die vier köpfige Springer-Spitze mit Vorstandschef Mathias Döpfner, Jan Bayer (News Media), Julian Deutz (Finanzen und Personal) und Andreas Wiele (Rubrikenmärkte) 19,2 Millionen Euro verdient. In diesem Jahr kam ein Bonus des Private Equity Unternehmens General Atlantic dazu, das 12 Millionen Euro zusätzlich bezahlte.

Doch damit nicht genug: In einem weiteren Text, den kress-Chefredakteur Markus Wiegand am 28. Oktober 2019 vorlegte, schreibt dieser unter der Überschrift „Axel Springer: Üppige Vorstandsboni trotz Sparkurs“: [4]

In den fünf Jahren zwischen 2014 und 2018 entlohnte Axel Springer seine Vorstände (inkl. Pensionszusagen) mit insgesamt 115,6 Millionen Euro. Noch nicht enthalten sind in der genannten Summe Bonuszahlungen über Aktienoptionsprogramme (im Fachjargon Long-Term Incentive Plan), die Springer aufgelegt hat. Die Auszahlung ist an eine Reihe von Bedingungen gekoppelt. Am wichtigsten ist der Anstieg der Marktkapitalisierung (also des Aktienkurses). Da der Kurs der Aktie wegen des Angebots von KKR deutlich nach oben gegangen ist, hat Springer im Halbjahresfinanzbericht 39,4 Millionen Euro an Aufwand für Boni erfasst. 35,2 Millionen Euro davon für den Vorstand.

Axel Springer selbst äußert sich nicht exakt zur Höhe der Bezüge seiner Vorstände. Doch egal mit wem man spricht. Egal welche Zahlen man liest. Mathias Döpfner dürfte seit Jahren ein jährliches persönliches Einkommen von geschätzt 20 bis 30 Millionen Euro haben. In 10 Jahren dürfte er also an die 300 Millionen Euro Einkommen gekommen sein. Er ist aber schon 20 Jahre bei Springer.

Genug Geld, damit Döpfner Springer bald mehrheitlich übernehmen könnte

Und nun kommt noch ein Aktienpaket im Wert-Umfang von einer Milliarde dazu. Das bedeutet natürlich Dividenden. Die der Vorstand den Gesellschaftern selbst vorschlagen darf. Also Döpfner sich selber. Nach Angaben von finanzen100.de gibt es bei Axel Springer circa 108 Millionen Aktien [5]. Davon gehörten bis vor kurzem Friede Springer rund die Hälfte. Schaut man sich nun die Dividendenzahlungen der Börsenzeitung [6] oder von Boerse.de [7], erhält man einen guten Überblick, dass sich Dividenden bei Springer für die Aktionäre überaus lohnen.

Angenommen wenn Friede Springer rund 50 Millionen Aktien von Axel Springer besessen hat. Und glaubt man ferner den Börsenportalen, dass bis zu zwei Euro Dividende pro Aktie bezahlt wurden. So heißt das, dass Friede Springer in guten Jahren rund 100 Millionen Euro Dividende bekam. Seit 2007 aber mindestens jährlich um die 50 Millionen Euro. Klar, das muss noch mit 26 bis 28 Prozent versteuert werden. [8] Klar ist auch: Natürlich hat sie das auch Mathias Döpfner zu verdanken, dem Vorstand der Axel Springer SE.

Dem könnte man aber absolut gerechtfertigt entgegnen: Es ist auch sein Job! Und für diesen Job ist er bereits mehr als fürstlich entlohnt worden, was viele Springer-Mitarbeiter nun wahrlich nicht mehr sagen können. Die große Springer-Erfolgsbeteiligung von denen Döpfner gerne spricht, gibt es vor allem für neuere Mitarbeiter schon lange nicht mehr. Und die Aktien sind nun erstmal verteilt. Primär mit in seine Tasche.

Steuerfreiheit auf Milliardengeschenk wäre ein Skandal

Dass Döpfner den Springer-Anteil im Wert von rund einer Milliarde Euro obendrein auf Grund irgendwelcher angeblicher dubioser „Poolverträge“ weitestgehend steuerfrei erhalten könnte, wie Autor Philipp Alvares de Souza Soares vom Manager Magazin munkelt [9], könnte das Zeug zum Skandal haben.

Aber es schreibt ja keiner mehr kritisch darüber. Grund: Döpfner ist obendrein Präsident des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger (BDZV). Der hat seine Zentrale gleich gegenüber des Springer-Hochhauses im Haus der Presse an der Kochstraße. In diesem Umfeld stöhnt seit Jahren so mancher Mitarbeiter hinter vorgehaltener Hand, Döpfner führe den Verband wie eine Aktiengesellschaft.

Da jeder Redakteur heute um seinen Job bangt, halten die meisten Tageszeitungsjournalisten still wenn es um kritische Berichte beispielsweise zu Döpfner oder Springer geht. Es gilt das Motto: Bloß nicht auffallen. Bloß nicht anecken. Mit niemandem. Könnte sein, dass man schon bald bei jenen anklopfen muss, über die man kritisch schrieb und nach einem Job fragen muss.

Wenn Friede sich laut über die BILD beschwert – wo soll das Problem liegen?

Am 28. Mai 2020 schrieb der bekannte Medien-Journalist Kai-Hinrich Renner in der Berliner Morgenpost einen bemerkenswerten Beitrag unter der Überschrift „Friede Springer beklagt sich über Bild-Chefredakteur Julian Reichelt“. [10] O-Ton- im Text: „Wenn stimmt, was mehrere voneinander unabhängige Quellen berichten, ist es im Axel Springer Verlag vor ein paar Wochen zu einem Eklat gekommen: Demnach hat sich Verlegerin Friede Springer vor Vorstandsmitgliedern sehr emotional über den aggressiven Kampagnenjournalismus von Bild-Chefredakteur Julian Reichelt beschwert… Beispielhaft für diesen Kurs ist die Kampagne des Chefredakteurs gegen Christian Drosten.“

Nun müsste man eigentlich sagen: Richtig so. Warum soll sich die Hauptaktionärin nicht über ihre eigenen Zeitungen aufregen dürfen? Warum soll sie keine eigene Meinung haben und warum soll sie nicht einfordern, dass einige Zeitungen sich an ihren eigenen moralisch-inhaltlichen Maßstäben mit orientieren. Immerhin hat das Axel Springer leidenschaftlich gerne gemacht: Seine Weltvorstellung den Journalisten in die Verträge geschrieben.

Dass Mathias Döpfner Friede Springer längst bis zu einem gewissen Grad emotional entmündigen konnte, lässt sich an einem eigentlich ungeheuren Vorgang ablesen, der in der Springer-Geschichte recht einmalig ist.

Die Pressemitteilung fiel Friede Springer in den Rücken

So veröffentlichte doch allen Ernstes die Springer-Presseabteilung nach dem Reichelt-Eklat eine Medienmitteilung, in der, so könnte man dies durchaus interpretieren, der eigene Verlag der obersten Mehrheitsaktionärin in den Rücken fiel.

In der Mitteilung wurde geschrieben, man sei bei Springer „stolz“ darauf, dass „unsere Journalistinnen und Journalisten ihre eigenen Positionen vertreten und nicht versuchen zu schreiben, was Vorstand und Eigentümer für richtig halten“. Deshalb komme es „auch immer wieder zu lebendigen Diskussionen“. Die „offene Streitkultur“ des Hauses „und das Chefredakteursprinzip sind dem Vorstand und allen Eigentümern heilig“, zitiert die Berliner Zeitung aus dem Papier.

Eine solche Medienmeldung wäre natürlich vollkommen unnötig gewesen. Gleichzeitig ist sie ein krasses Dokument. Es ist ein Zeitdokument, das zeigt, wie wenig Macht Friede Springer bereits im Mai noch hatte. Und dass die Macht schon damals Ende Mai 2020 längst komplett in den Händen von Mathias Döpfner lag. Er ließ Friede Springer mit dieser Meldung diese Macht ungeniert spüren. Wir konnten diese Medienmitteilung und zahlreiche andere ältere Springer-Pressemeldungen am 30. September nicht mehr abrufen oder auf der Springer-Webseite finden. Waren wir zu blöd? Lag ein technischer Fehler vor? Oder hat Springer aus welchem Grund auch immer bestimmte Meldungen versteckt?

Warum lässt sie das zu, mag man sich fragen

Warum lässt Friede Springer zu, mag man sich fragen, dass sie öffentlich in so einer vom eigenen Haus verbreiteten Pressemeldung ein Stück weit demontiert wird? Sie scheint kapituliert zu haben. Da mag sie noch so vehement auf den Holztisch im Büro von Axel Springer klopfen und Mathias Döpfner und der Welt erklären, es bliebe alles wie es ist, da sie ja jeden Tag noch ins Büro komme.

Man muss kein Rechenprinz sein, um festzustellen, dass Döpfner künftig mit gut 40 bis 50 Millionen Euro Brutto-Dividende im Jahr rechnen darf, abzüglich der zu zahlenden Steuer. Das macht also in 10 Jahren eine Dividendenerwartung von bis zu einer halbe Milliarde Euro brutto, beziehungsweise rund 375 Millionen Euro netto. Genug Geld, um gegebenenfalls Kredit aufzunehmen, um sich bei Axel Springer weiter einzukaufen und eine entsprechende Kreditlinie bei Banken eingeräumt zu bekommen. Ganz so, wie es Friede Springer seit 1985 machte. Das heißt: Der Mehrheitsaktionär bei Springer könnte schon in wenigen Jahren Döpfner sein. Warum das Medienhaus dann nicht gleich umbenennen in Mathias Döpfner Group zum Beispiel?

Hat Döpfner bald ein persönliches Brutto-Einkommen von über 80 Millionen Euro?

Und in diesem Rechenspiel ist noch nicht einmal sein geschätztes jährliches CEO-Einkommen (incl. Boni) in Höhe von 20 bis 30 Millionen Euro drin, sollte er eine Doppelrolle CEO und zentraler Hauptgesellschafter beibehalten. Denn dann könnte er schon bald auf ein jährliches persönliches Brutto-Einkommen in Höhe von über 80 Millionen Euro kommen. Wir reden also dann in 10 Jahren von – Sie ahnen es – von möglichen 800 Millionen Euro Brutto-Einkommen. Wow!

Genug Geld, um mit einem zusätzlichen Kreditpaket vom neuen Aktionär, dem umstrittenen amerikanischen KKR Investment-Fonds in wenigen Jahren Springer-Anteile abzukaufen und sich die Mehrheit am Springer-Konzern sichern zu können: Also über 50%. Damit wäre Friede Springer dann wirklich tot. Und irgendwo auch demontiert. Die sonstige Springer-Familie ist seit Jahren mehr oder weniger raus. Dies lag auch daran, dass sie Friede Springer nie richtig als Oberhaupt akzeptierten und gleichzeitig fachlich überwiegend nicht brillierten. Eine gefährliche Kombi.

Wie geschickt: Den KKR-Deal der Übernahme eines Großteils der Springer-Aktien zu Gunsten von KKR fädelte ein Döpfner-Verbündeter ein. Das langjährige Vorstandsmitglied Andreas Wiele. Erstmals richtig öffentlich bekannt wurde der Deal im Juni 2019. [11] Wenige Monate später wechselte Wiele offiziell zur KKR. [12] Im Frühjahr dieses Jahres wurde die Übernahme eines Großteils des Springer Aktien durch KKR und seine Holdinggesellschaft Traviata II S.à r.l. schließlich vollzogen.

KKR-Schachzüge könnten Friede Springer mittelfristig schachmatt legen

Da KKR (Kohlberg Kravis Roberts & Co.) Unternehmensanteile aber meist nur wenige Jahre hält, ist absehbar, wann KKR die Springer-Anteile wieder verkauft. Das machte der Investmentfonds schon bei der ProSiebenSat.1 deutlich, wo die Amerikaner erst einstiegen, den Konzern aussaugten, dann die Anteile verkauften und sich kürzlich wieder mit 5 Prozent einkauften. Gut möglich, dass hier eine mögliche Allianz mit Springer bereits angedacht wird. Ein Projekt – die Fusion Springer mit ProSiebenSat.1 – welches vor Jahren einmal am Einspruch der KEK sowie des Bundeskartellamts scheiterte.

Friede Springer selber hatte man damit geködert, man wolle gemeinsam mit KKR nun zu einem weltgrößten Anbieter von Rubrikgenanzeigen aufrücken. Schon heute führt Springer beispielsweise mit seinem Stellenportal Stepstone maßgeblich. Eine Anzeige im Monat kostet auf Stepstone bereits um die 1000 Euro. [13]

Dass das Kleinanzeigengeschäft, beziehungsweise Rubrikengeschäft, aber ein Multimilliarden Markt ist, weiß man auch bei Google. So gibt es bei dem US-Riesen längst Tendenzen, die überaus lukrativen Stellenanzeigen oder Immobilienanzeigen selbst zu vermarkten. Oder, wie man das im Flugbereich macht, mit „Partnern“. Sie müssen dann pro verkauftes Flugticket eine Provision an Google bezahlen.

Rubrikenanzeigen sind derzeit eine feine Sache – noch, wenn da Google nicht wäre

Apple macht das im App Store vor: Fast jeder, der über diesen Monopol-Shop seine Produkte, Apps, verkaufen möchte, muss irrwitzig hohe 30 Prozent Provision an Apple bezahlen. Wie zu Ablasszeiten. Wer nicht zahlt, fliegt raus, wird seiner wirtschaftlichen Grundlage wesentlich beraubt.

Im Bereich des Verkaufs von Flugtickets verlieren die einstmals selbständigen Flugpreis-Vergleichsportale immer mehr an Einfluss. Wer heute in Google eingibt: Günstiger Flug Berlin – Türkei, sieht auf der Startseite von Google gleich das eigene „Google Flights“ Produkt. Es nimmt den Reiseanbietern immer mehr Marge zu Gunsten von Google weg. Ähnlich sieht es im Hotelbereich mit „Google Hotels“ aus.

Das Setzen auf Rubrikenanzeigen war in der Vergangenheit richtig. Doch ist das eine Strategie die langfristig aufgeht? Der Ausverkauf von Springers einstigem Tafelsilber zur Schönung der Bilanz ist seit Jahren in vollen Gange. Manches war richtig abzustoßen, wie die Regionalzeitungen. Anderes kann als Frevel bezeichnet werden.

Dazu gehört der aberwitzige und völlig unnötige Verkauf der lukrativen Keimzelle des Springer Verlags, des Springer-Hochhaus samt Nebengebäuden in Hamburg. [14] Nicht mal das Hamburger Springer-Hochhaus, wo Axel Springer 1950 den Grundstein legte, war dem Döpfner-Vorstand heilig.

Der Verkauf des Springer-Hochhauses in Hamburg war ein Frevel

Völlig ohne Not wurde es nun vor wenigen Jahren, 2016, verkauft, schreibt Wikipedia. Die Öffentlichkeit hat es mal wieder kaum zur Kenntnis genommen. Dabei war der Verkauf absolut historisch. Heute sei eine Allianz, die obskur anmutet, der Eigner. So führt Wikipedia weiter aus: Ein „Konsortium der ärztlichen Versorgungswerke Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern, der Tierärzteversorgung Niedersachsen und der Steuerberaterversorgung Niedersachsen“ residiere jetzt im Springer Hochhaus. Auch einige Behörden seien vor Ort.

Dabei hätte man den Bereich Immobilien-Vermarktung durchaus strategisch bei Springer als Geschäftsfeld haben können mit solchen Filetstücken, wie man sie in Hamburg und Berlin besaß. Der Heinrich Bauer Verlag, beziehungsweise die Bauer Media Group aus Hamburg, machte schon vor Jahren vor, wie es geht.

Der Heinrich Bauer Verlag macht auch mit Immobilien gute Geschäfte

In München besitzt der Konzern ein kleines Stadtviertel mitten im berühmten teuren Glockenbachviertel. Ein Block-Ensemble aus Wohnungen und Geschäften an der Holzstraße. Die in den 1980er Jahren gebauten rund 260 Einheiten werden teils zumindest zu durchaus sozialen Preisen vermietet. [5]

Die Westermühl-Höfe mit den grauen Dächern im exklusiven Münchener Glockenbachviertel. Bestes Investment.

Dennoch gibt es auch hier immer wieder Kritik, die Mieten seien um 30 Prozent gestiegen, was zu Mieterverdrängungen führe.

Schon in den 1990er Jahren hatte der Bauer Verlag das Immobilien-Viertel “Westermühlhöfe” als stabile Wertanlage übernommen. Das jazzt vielleicht nicht sofort den Aktienkurs hoch, verleiht der Bauerfamilie aber ein langfristig stabiles Geschäftsfeld.

Friede Springers Milliardengeschenk an Mathias Döpfner könnte am Ende dazu führen, dass der Springer-Einfluss wirklich ganz raus ist aus Axel Springer. Dass es also keinen Springer in Springer mehr gibt – von der Minderheitsbeteiligung der Friede Springer Stiftung abgesehen. Sie verfügt dann aber nicht mal mehr über eine Sperrminorität.

Richtig gut kann man das so nicht finden und es bleibt ein äußerst fader Beigeschmack. „Richtig toll“, wie Friede Springer behauptet, mutet es deshalb sicherlich nicht an.

Einzelnachweise

[1] Friede Springer Stiftung.

[2] Magdalena Martullo Blocher – the seven thinking steps!, in: YouTube vom 17.10.2013. Abgerufen am 30. September 2020.

[3] Rekord-Vergütung für Döpfner und Co., von Markus Wiegand, in: kress.de vom 3. Juni 2018. Abgerufen am 29. September 2020.

[4] Axel Springer: Üppige Vorstandsboni trotz Sparkurs, von Markus Wiegand, in: kress.de vom 28. Oktober 2020. Abgerufen am 30. September 2020.

[5] Anzahl Aktien Axel Springer: 107,9 Mio., in: finanzen100.de, abgerufen am 30. September 2020.

[6] Dividenden bei Axel Springer, historische Übersicht, in: boersen-zeitung.de. Abgerufen am 30. September 2020.

[7] Historie Dividenden Axel Springer, 2001 bis 2020, in Boerse.de.

[8] Steuern auf Aktien in Deutschland, in: vlh.de, abgerufen am 30. September 2020.

[9] Aktienpaket von Friede Springer Döpfners Milliardengeschenk wohl weitgehend steuerfrei, von: Philipp Alvares de Souza Soares, in: Manager Magazin Online vom 25. September 2020. Abgerufen am 30. September 2020.

[10] Friede Springer beklagt sich über Bild-Chefredakteur Julian Reichelt, von Kai-Hinrich Renner, in: Berliner Morgenpost Online vom 28. Mai 2020. Abgerufen am 30. September 2020.

[11] Investor KKR beteiligt sich an Axel Springer, von Susanne Herrmann, in: Werben & Verkaufen Online vom 12. Juni 2019. Abgerufen am 30. September 2020.

[12] Axel Springer verkleinert Vorstand, in: Die Welt Online vom 31. Oktober 2019. Abgerufen am 30. September 2020.

[13] Preise Stellenanzeigen auf Stepstone.

[14] Springer-Hochhaus (Hamburg), in: Wikipedia Deutschland, Österreich, Schweiz.

[15] Immobilien Bauer Verlag München, in: Google Maps.

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Ein Gedanke zu „Friede Springer: Mathias Döpfner könnte Mehrheit an Axel Springer kaufen“
  1. Dieser Lerserbrief erreichte uns bereits am 18. Oktober 2020.
    Sehr geehrte Frau Springer,
    bitte lesen, nicht störrisch verweigern:
    link:
    TikTok wirbt seinen ersten Deutschlandchef von Springer ab › absatzwirtschaft
    https://www.absatzwirtschaft.de/tiktok-wirbt-seinen-ersten-deutschlandchef-von-springer-ab-174038/
    – BILD-Macht, die Sie vorgeben, nicht zu haben
    – Kontinuität, die Sie nicht beklagen
    – wollen wir mal ’ne neutrale Wirtschaftsprognose wagen ?
    – was würden Sie zur Erfolgsaussicht Ihres Verlages fachlich versiert
    nun sagen ?
    In Ihrem Verlag gehe es nicht um Macht –
    die da auch niemand habe.
    Aber wehe dem in der Nacht –
    der etwas anderes sage.
    Über Ihren BILD-EiC äußern Sie sich nur noch sehr vage –
    kann es sein, dass gegen ihn läuft nicht nur EINE deftige Klage ?
    Die einzige Kontinuität die man derzeit im Springer-Verlag beobachten
    kann, ist, dass ihr C-E-O
    seinen „Kettenhund“ und dessen „Fassbombenkommando“ weiter gut bezahlt
    gewähren und unbehelligt lässt.
    Wie sonst – außer durch gezieltes und fortgesetztes Mobbing – kann man
    sich sonst auch nur im Ansatz erklären, dass die, die es sich leisten
    können, aus der Führungsebene heraus Ihren Verlag verlassen und höchst
    dotierte Posten bei anderen Mitbewerbern belegen ?

    Es können demnach nur Ihre ALLER-BESTEN Leute sein, die Sie da
    UNAUFHÖRLICH verlieren.
    Ausverkauf aus Ihrer Führungsriege.
    Da führt wohl jemand erbitterte Kriege.
    Vielleicht sollten Sie einmal die Chefin sein – und mit ’nem Kampfhund
    dinieren.
    Danach sollten Sie in für immer verlieren.

    *************************************************************************
    Ist das die förderliche Kontinuität, die Sie kürzlich LAUTHALS betonten ?
    *************************************************************************
    Die Zeit, sie läuft immer schneller gegen Sie.
    Wie bei Corona: Wer jetzt nicht handelt, hat keine Chance mehr, zu entkommen.
    Aber da ist der Springer-Verlag ja „GOTT SEI DANK“ schon sehr viel weiter.
    Aus Ihrer privaten Schatulle wurde bereits alles entnommen – da sind
    einige heiter.
    Ihre Stiftungen sollten Sie an Menschen mit Nächstenliebe übertragen –
    sonst werden Sie wohl auch deren Untergang am Ende noch wagen.
    Ist es das alles Wert – für WEN ?
    Wirklich für DEN ?
    Wollen Sie dieses Hamster-Rad noch stoppen,
    sollten Sie jemand gehörig endgültig „verkloppen“.

    Haben Sie die neutralen Internet-Bewertungen Ihres C-E-O gelesen?
    Haben Sie ein gleichartiges Zeugnis über Ihren EiC BILD gelesen ?
    Da wurden nicht gerade die besten Noten verlesen.
    Es liest sich, als würden da schlechte Leistungen verwesen.

    Wen/Was lieben Sie auf dieser Welt ?
    Von WEM machen Sie sich stets NUR ihr eigenes BILD ?
    Warum sind alle anderen gegen Sie wild ?
    Kann es sein, dass Sie da jemand KILLT ? Oder GRILLT ?

    Liebe Frau Springer,
    Sie waren der stärkste Ringer.
    Haben Sie jetzt schon aufgegeben ?
    Es ist doch mehr WERT, ihr ganzes Leben !

    Und Sie haben um sich herum so viele treue Seelen,
    wollen Sie deren Treue am Ende alle verhehlen ?
    Wo ist der Mensch, der wirklich noch zu Ihnen hält ?
    Benutzen Sie etwa alle Seelen, wie es Ihnen gefällt ?

    Worte – Words – are only words.
    There is somethig what’s more worth than that.
    LG
    LIEBE
    Dies ist keine Satire, sondern ein ernst gemeinter LIEBESBRIEF.

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