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Samstag, 27. August 2022

Bonus -

Genie Holding AG und wie exzessive Stromwechsler Energieversorger in die Krise bringen

Wenn der Kunde zum Stressfaktor wird.
Bild: pixabay.com
Wenn der Kunde zum Stressfaktor wird.

Genie Holding und Strombonus – Ursprünglich war es eine gute Sache: Die 1998 durch die EU ermöglichte Liberalisierung des Strommarktes ermöglichte es Verbrauchern in Deutschland und zahlreichen anderen europäischen Ländern erstmals sich ihren Stromversorger selbst auszusuchen.

Bis zu dieser durch die EU eingeleiteten Wende im Energiemarkt war man faktisch lebenslang mit den Stadtwerken oder Gemeindewerken verbunden, von denen es in Deutschland immer noch rund 800 gibt. Sie bestimmen, wie teuer Heizkosten sind, was der Strom kostet, das Kaltwasser, das Abwasser. Während man sich seinen Wasser-Lieferanten immer noch nicht aussuchen kann, geht das zumindest im Bereich von Energieträgern wie Strom, Kohle, Öl, Gas. Doch das System des Wechsel-Stromverbrauchers macht zunehmend Probleme. Das berichtet unter anderem Stromanzeiger.de.

Denn Millionen Deutsche treiben mit einem exzessiven Stromwechsel-Verhalten regelmäßig Energieversorger in die Krise. Das hat Auswirkungen bis in die Schweiz. Hier musste die Genie Holding AG vor rund eineinhalb Jahren Konkurs beim staatlichen Konkursamt anmelden. Grund: Die deutsche Tochter war genau durch dieses exzessive Wechselverhalten von Zehntausenden Kunden in die Krise gerutscht. Galt es bis vor wenigen Jahren noch als üblich, dass bis zu 40% der neuen Stromkunden ihren Energieversorger wechselten, sind es jetzt bis zu 60%. Tendenz: Steigend.

Diese Kunden will eigentlich niemand, weshalb es künftig stärkere Screenings geben soll, bevor ein Stromkunde, der sich vor allem online für einen neuen Stromversorger entschieden hat, auch von diesem Stromversorger akzeptiert wird. Das berichtete unter anderem der ARD-Kanal TAGESSCHAU.de.

Denn die ersten zwei Jahre gelten Stromkunden, die besonders über Preisvergleichsportale wie Verivox, Check24, Preisvergleich.de oder Billiger.de sich für einen neuen Energielieferanten entschieden haben, häufig als defizitär. Zumindest, wenn sie sich, was Hunderttausende Deutsche machen, für einen Super-Günstig Tarif entscheiden. Dieser Tarif wird mit einem in den ersten sechs Wochen von den Energieversorgern zu zahlenden „Sofortbonus“ und am Ende des ersten Lieferjahres zu zahlenden „Jahresbonus“ künstlich günstiger gemacht. Wer das nicht macht, landet in entscheidenden Rankings auf den Preisvergleichsportalen weiter hinten und bekommt kaum Neukunden.

Wenn der Wechsel-Bonus Hunderte Euro ausmacht

Diese Bonusse können leicht 200 Euro oder mehr pro Kunde ausmachen. Rechnen tut sich das aber nur, wenn der Kunde mindestens drei Jahre dabei bleibt – also ab dem dritten Lieferjahr. Denn in Deutschland sind 85% des Strompreises gesetzlich vorgegeben. EEG-Umlage, Steuern, Stromleitungsgebühren (Netzgebühren) usw. Das kosten alles sehr viel Geld. Geld, auf den auch neue Energieversorgungsunternehmen keinen Einfluss haben. Dennoch müssen sie dieses Geld beim Stromkunden über die jährliche Stromrechnung eintreiben und an den Staat oder von ihm beauftrage Unternehmen weiterleiten.

Skandalös: Obendrein heizen vor allem Preisvergleichsportale wie Check24 aus München oder Verivox aus Heidelberg durch permanente Newsletter, die sie an Hunderttausende Kunden schicken, die gerade erst den Energieversorger wechselten, den jährlichen Wechsel-Irrsinn weiter an. Dabei hat genau dieser Wechsel-Irrsinn, dessen Motto geiz ist geil ist, schon Dutzende, wenn nicht Hunderte neue Energieversorger in Deutschland in den Konkurs getrieben. In diesen Newslettern fordern die Preisvergleichsportale ganz ungeniert selbst Neukunden von Energieversorgern, die über ihre Portale den Stromanbieter gewechselt haben auf, doch möglichst bald wieder zu wechseln. Natürlich wieder über ihre Portale.

Grund: Pro Stromwechsler kassieren Check24 oder Verivox nach Marktberichten im Schnitt zwischen 45 und 75 Euro Provision. Ein Millionengeschäft, mit dem Check24 und Verivox im Laufe von Jahren mehrere Hundert Millionen Euro umgesetzt haben dürften.

Genie Holding und die deutsche Tochter

Die Zeche zahlen Energieversorger oder Anbieter wie die Genie Holding aus der Schweiz. Sie stand beispielsweise hinter einem Konkurs gegangenen deutschen Energieanbieter aus München (BEV Energie) und war wegen einer zu hohen Wechslerquote von Kunden selber wirtschaftlich nicht mehr tragfähig.

Bei der Genie Holding hatten deshalb rund 60 Mitarbeiter ihren Job verloren. In der Schweiz gibt es aber, im Gegensatz zu Deutschland, keinen klassischen Insolvenzverwalter, der oft Millionen aus der Konkursmasse erstmal für sich und seinen Mitarbeiterstab abschöpft.

In der Schweiz ist der Konkursverwalter ein normaler staatlicher Angestellter, der keinen Cent aus der Konkursmasse für sich abzweigen kann. Deshalb gilt das Schweizer Konkurssystem als erheblich besser, als das Deutsche. Manche Konkursverwalter kassieren über 20 Millionen Euro pro Konkurs nur an Honoraren, die sie sich selber aus der Konkursmasse entnehmen (Stichwort: Honorar Insolvenzverwalter Air Berlin).

Verivox und Check24 setzen Hunderte Millionen Euro mit Stromwechsel-Irrsinn um und heizen das perfide System durch Newsletter an

Die Rechnungen, die deutsche Konkursverwalter an das Konkurs gegangene Unternehmen stellen, müssen sie einfach nur dem zuständigen Konkurs-Amtsgericht vorlegen. Der zuständige Richter oder die Richterin gibt dann meist diese Rechnungen mehr oder weniger ungeprüft frei. Grund: Das gleiche Gericht hat auch den Konkursverwalter eingesetzt. Obendrein sind Richter heute häufig dermaßen überlastet, dass sie gar nicht mehr die Zeit haben, bis ins letzte Detail zu prüfen, ob eine Rechnung gerechtfertigt ist oder nicht.

Deshalb fordern viele, dass in Deutschland der private Konkursverwalter abgeschafft wird und durch das bessere Schweizer System ersetzt wird. Das deutsche System führt obendrein dazu, dass die eigentlichen Gläubiger eines Pleite gegangenen Unternehmens erst dann ihr Geld erhalten, wenn der Konkursverwalter sich selbst ausbezahlt hat. Gerade wenn Millionen entnommen werden, ist das eigentlich oft skandalös. Wehren können sich die Gläubiger dagegen bislang nicht.

Die „Marktwächter Energie“ von der deutschen Verbraucherzentrale Bund haben sich des Themas Energieversorger in der Krise und die möglichen Ursachen hierfür 2019 in einem speziellen Paper angenommen. Allerdings sind auch die staatlich mit finanzierten deutschen Verbraucherzentralen Bestandteil des Problems, da sie den Wechsel-Irrsinn von Stromkunden alljährlich ebenfalls gerne antreiben.



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