
Die Corona-Krise hat gezeigt: Wer nach 30 Jahren Internet immer noch keinen Onlineshop oder eine gute Unternehmens-Homepage hat, hat ein Problem. Doch gerade viele kleine und mittelständische Unternehmen in Deutschland, Österreich oder der Schweiz vernachlässigen das Onlinegeschäft immer noch zu oft sträflich.
Die Gründe sind vielschichtig: In vielen Unternehmen hält man auch im digitalen Zeitalter eine gute permanent aktualisierte Homepage nicht wirklich für nötig. Und wenn, dann sieht man es eher als Last, denn Kür. Eine Last, die vielleicht nebenher von einem Azubi oder Praktikanten zu machen ist. Hauptsache es kostet nichts.
Zudem glauben immer noch viele Unternehmen, sie führen langfristig besser, wenn man sich nicht von Google, Bing, Facebook, Instagram, Amazon, Billiger.de, Comparis.ch abhängig mache. Zudem halten viele Unternehmen Ausgaben in redaktionellen Blog-Content oder für Bewegtbild, wie Erklärvideos, für zu aufwendig oder zu teuer. Die Skalierbarkeit sei nicht sofort gegeben, glauben viele.
Im Interview mit dem Internet-Fachmann Konstantin Korosides wollten wir wissen: Worauf ist beim Aufbau einer Webseite oder eines Onlineshops zu achten? Korosides war über Jahre Bereichsleiter Unternehmenskommunikation u.a. bei Ab-in-den-urlaub.de, Billiger.de, Geld.de, Shopping.de, DSL.de oder Auto.de. Zudem war er Head Marketing Communication, arbeitete als PR-Manager beim Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft und ist Fachmann für die Erstellung von Erklärvideos. Außerdem baute er selbst mehrere Webseiten auf.
Steuerratschlag: Schaut man sich viele Unternehmenswebseiten, auch von Anwaltskanzleien oder Onlineshops an, fällt auf: Oft sind es schnell gemachte WordPress-Templates ohne viel Inhalt. Reicht das noch im Kampf um den besten Platz im Internet?
Konstantin Korosides: Nach wie vor ist content im Internet King. Davon bin ich überzeugt. Wie soll der Google-Robot merken, wofür ein Onlineshop oder eine Unternehmenswebseite steht, wenn kaum Keywords drauf zu finden sind.
Ohne Content nicht in Google?
Korosides: Zugespitzt formuliert gilt dies. Google sucht das Internet nach relevanten Webseiten ab. Relevant ist eine Webseite, wenn sie Informationen hat. Darunter versteht Google aber nicht eine Webseite, welche nur Platzhalter für Adressen oder Produkte ist, die man anbietet.
Ob privater Verbraucher oder Geschäftskunde – jeder möchte doch auf einer Webseite, die für sich reklamiert, ein Fachportal zu sein, Fachinformationen finden. Ich finde es unerträglich, wenn ich auf einem Onlineshop bin und mir beispielsweise einen Putzroboter kaufen möchte und dort keine kurzen Erklärvideos finde, die mir kurz zeigen: Das sind die Vor- und Nachteile und diese Varianten gibt es. Zudem möchte ich sowas am besten in tabellarischer Form und kurzen Hintergrundtexten nachlesen können. Ich will nicht unbedingt auf eine dritte Seite gehen, um schlau zu werden. Das gilt auch für Unternehmenswebseiten oder Anwaltsseiten, die in bestimmten Disziplinen arbeiten. Ein Doktortitel ist schön, trotzdem hätte ich gerne etwas mehr Infos zur Dienstleistung: Vielleicht regelmäßige Fachartikel der Anwaltskanzlei in einem Blogbereich zur neuesten Rechtsprechung.
Oder Blogbeiträge auf einem Unternehmen für Sanitär zur Frage: ist eine Fußbodenheizung effizienter als eine klassische Heizkörper-Heizung vor der Wand? Am besten kombiniert mit eigenen kurzen Erklärvideos dazu. Diese sollten maximal drei Minuten sein, keinesfalls länger. Sowas geht Whiteboard, 2D, 3D. Man braucht dafür keine teuren Schauspieler einkaufen, wie man es vielleicht für einen Werbespot machen würde.
Viele halten Content aber so oder so für zu teuer.
Korosides: Das mag sein. Aber wer keinen redaktionellen Blog-Content auf seiner Webseite zu bieten hat, der wird so oder so in Google schlechter gerankt. Man schadet sich damit langfristig massiv selber. Da täglich Hunderte neue top Webseiten ins Netz gestellt werden, liegt auf der Hand, dass Google oder Bing jenen langfristig den Vortritt lässt, die besser sind. Ein vorderer Platz im Google-Index ist keine Garantie forever. Man muss darum täglich kämpfen. Und natürlich gehört auch Bewegtbild dazu. Es ist irre, wenn Leute glauben, Blog-Content wäre Luxus, den man sich sparen könne, da man nicht sofort eine Conversion Rate messen könne oder einen KPI abbilden könne. Also einen Key Performance Indicator.
Wie fangen Unternehmen an, Content aufzubauen?
Korosides: Ich bin da immer noch ein Fan von den guten alten Keyword-Analysen. Zunächst muss man schauen, was verkaufe ich, was sind meine wichtigsten Dienstleistungen? Die müssen mit einer gewissen Aktualität wöchentlich oder mindestens monatlich mit neuem Content abgedeckt werden. Das sollte einhergehen mit dem Google Keyword-Tool, welches das Suchvolumen zu Keywords abbildet. Dennoch bin zumindest ich der Meinung, dass man nicht nur auf Keywords mit dem größten Suchvolumen gehen sollte. Das ist zwar wichtig, aber oft auch chancenlos, dass man es schafft in Google oder Bing damit zu ranken.
Also auch auf Nebenkriegsschauplätze gehen?
Korosides: Klar, es ist besser, auf einem Nebenkriegsschauplatz in Google oder Bing vorne zu ranken, als überall hinten. Also durchaus schauen, ob man vielleicht zum Keyword „Veganer Onlineshop für Gemüsefans“ rankt, statt für das Allerweltskeyword „Gemüsehandel“.
In welche Richtung bewegt sich das Internet?
Korosides: Diese Frage ist sehr komplex. Wir haben früher für Domains, beispielsweise für Shopping.de fast zwei Millionen Euro ausgegeben oder für www.kredit.de zahlten wir fast 900.000 Euro. Die Relevanz von Domain-Namen, möglichst auch generischen, ist zwar immer noch hoch. Doch nicht mehr so hoch, wie sie mal war. Grund: Im Internet ist in vielen Geschäftsbereichen der Kuchen verteilt. Niemand kommt heute mehr im Internet an den großen Anbietern als Neustarter vorbei.
Was heißt das?
Korosides: Im Reisemarkt sind die großen Onlinemarken die Platzhalter. Es würde über eine Milliarde Euro kosten eine Marke wie Ab-in-den-urlaub.de neu ins Internet zu schieben und zum Erfolg zu bringen – wenn das überhaupt möglich wäre. Auch im Preisvergleich sind die Platzhirsche in der Schweiz, Deutschland, Österreich, kaum mehr einholbar. Jetzt geht es darum, dass Unternehmen lernen, ihr Spezialgebiet im Internet so zu kommunizieren, dass Google oder Bing erkennen: Ok, hier geht es um Fine blanking, das Unternehmen xy scheint da so relevant zu sein, dass wir es national oder gar international vorne im Suchmaschinen-Index ausspielen.
Klingt aber auch sehr ernüchternd für den Nachwuchs.
Korosides: Das soll es nicht. Aber es macht keinen Sinn, auf ein Geschäftsmodell zu setzen, das bereits so hyperdominant besetzt ist, dass man da nie und nimmer ohne Milliarden-Investitionen in das Marketing und die Software in Google nach vorne kommt. Dennoch sollten auch die Etablierten nicht glauben, ihre Sichtbarkeit im Google-Index sei unantastbar.
Haben Sie ein Beispiel?
Korosides: Nehmen wir das Schweizer Kleinanzeigenportal Tutti.ch. Hier ist mir aufgefallen, dass, sobald man eine Anzeige schaltet, man zugespammt wird von Abzockern, die einem Geld auf einem vermeintlichen PayPal-Konto entlocken wollen. Zwar leidet Ebay Kleinanzeigen unter dem gleichen Problem, doch erhalten nach meiner Beobachtung Kunden hier schneller die Warnung vor möglichen Spam- und Abzockermails, die dann automatisch herausgefiltert werden. Bei Tutti.ch habe ich so etwas nicht erhalten. Beim Konkurrenzportal Ricardo.ch sind wiederum die Anmeldehürden so hoch, dass es mich als Konsument abschreckt. Die gleichen scheinbar die angegebenen Adressen mit Adressdatenbanken im Hintergrund ab. Jedenfalls haben sie mir doch allen Ernstes geschrieben, meine angegebene Adresse würde nicht stimmen. Sowas dient zwar der Sicherheit, gleichzeitig macht es mich als Kunde aber sauer. Am Ende will ich schon selber entscheiden, ob ich für eine Kleinanzeige meine richtige Adresse sofort angeben möchte, also mit Hausnummer, oder erstmal nicht.
Was hat das alles mit Google zu tun?
Korosides: Google ist nicht blöd. Die Suchmaschine merkt mittelfristig, ob eine Webseite stark von Betrug, wie PayPal-Abzockern frequentiert ist und ob Kunden dadurch Schaden nehmen. Die Relevanz solcher Webseiten dürfte entsprechend mittelfristig im Google-Index sinken. Qualitäts-Content ist also auch hier King.
Ihr Tipp für Unternehmen?
Korosides: Mein Tipp ist ganz klar: Webseiten brauchen Content. Ob geschriebenen Content oder Bewegtbild-Content, den Google zunehmend transkribiert, also ausliest und damit indexieren kann. Wer am Content auf der Unternehmens-Homepage oder dem Onlineshop spart, spart am falschen Ende. Deshalb bin ich der Meinung, dass Content nicht nur billig hingeschmierter SEO-Content sein sollte, sondern dass hier mehreres erfüllt sein muss: Masse an Content, Qualität und ein Kosten-Nutzen-Verhältnis. Auch wenn letzteres eben schwer abzuwägen ist. Aber Hände in den Schoß legen und gar nichts zu machen, also nichts zu investieren, ist nicht die Lösung, sondern am Ende das größte Problem im Google-Index. Das gilt für jede Unternehmens-Webseite, jede E-Commerce-Seite. Und natürlich ist Aktualität wichtig. Je öfters Neues auf einer Seite steht, desto öfter schaut der Google oder Bing Robot vorbei.
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