Die Bermuda-Inseln vor Floridas Küste: Beliebt bei Offshore-Anlegern, aber auch Golf-Spielern.
Die Bermuda-Inseln vor Floridas Küste: Beliebt bei Offshore-Anlegern, aber auch Golf-Spielern.

Der ehemalige deutsche Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) hat sich über anonyme Briefkastenfirmen, wie sie nun in Panama bekannt wurden, sehr kritisch geäußert. Gleichzeitig bezeichnete er die steuerliche Entlastung der Mittelschicht letztlich als falsch. steuerratschlag.eu wirft einen Blick auf das Interview, welches er dem „Stern“ gab.

Peer Steinbrück bezeichnete anonyme Briefkastenfirmen, wie sie nun im Zuge der Panama Papers bekannt wurden, als „eine Riesenschweinerei“. Dies erklärte Steinbrück in einem umfangreichen, wenn auch streckenweise etwas suggestiv geführten Interview mit dem Magazin „Stern“ (Nr. 16 vom 14. April 2016, Seiten 110 bis 114; Autoren: Katja Gloger und Axel Vornbäumen).

So lautet die erste „Stern“-Frage an Steinbrück in Anspielung auf das Buch „Oh, wie schön ist Panama“:

„Herr Steinbrück ‚Uns geht es gut‘, sagte der kleine Tiger. ‚Denn wir haben alles, was das Herz begehrt, und brauchen uns vor nichts zu fürchten…‘.“

In der zweiten „Frage“ schließt der Stern dann an:

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„…. Könnte das auch als Zusammenfassung der gerade veröffentlichten Panama Papers gelten. Riesensummen werden in anonymen Briefkastenfirmen versteckt. Und die, die das tun, brauchen sich vor nichts zu fürchten. Traurig, aber wahr?“.

Peer Steinbrücks Antwort: „Traurig? Eine Riesenschweinerei! Als ob sich eine bestimmte Gruppe Menschen mit krimineller Energie eine Art Notwehrrecht nähme, um Steuergesetze zu umgehen und Geld zu waschen, oder diesen bei kriminellen Geschäften zu helfen, die Gesellschaften massiv zu schädigen.“

Nach allerdings nicht näher erläuterten und begründeten Schätzungen des „Stern“ lägen möglicherweise in den weltweiten Offshore-Gebieten bis zu sieben Tausend Milliarden Euro Gelder. Zudem schlüsselt der „Stern“ nicht auf, wie viel Prozent der Gelder in diesen Offshore-Gebieten legal sein könnten und wie viele möglicherweise illegal und auf welche Länder die Schätzungen konkret entfallen könnten.

Bermuda-Inseln liegen nur zweieinhalb Stunden von Floridas Küsten entfernt

Fakt ist: Es geht nicht nur um Panama, wie im Falle der Panama Papers. Bei Amerikanern und Briten sind die vor der Küste der USA günstig gelegenen Bermuda-Inseln als Offshore-Paradiese seit Jahrzehnten beliebt. Sie sind nur zweieinhalb Stunden mit dem Linienflugzeug von Miami entfernt täglich erreichbar sind.

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Beispielsweise kostet ein Hin- und Rückflug von Miami in Florida auf die Bermuda Inseln per Linienflug mit American Airlines nur 674 Euro (Quelle: Google Flights). Die Flugzeit liegt bei gerade einmal zweieinhalb Stunden (Hinflug wäre Dienstag der 3. Mai, Rückflug Donnerstag der 6. Mai.).

Ohne konkrete Belege im Interview zu nennen, ist sich dennoch der ehemalige deutsche Bundesfinanzminister sicher, wonach Offshore-Geld überwiegend Schwarzgeld sei. So sagte er in dem Interview mit dem Stern: „Wir haben das Thema Steuerbetrug und Geldwäsche lange nicht ernst genug genommen. Auch wir Deutschen waren da ziemliche Leisetreter. Zu lange wollten wir unsere Nachbarstaaten nicht kritisieren“.

Steinbrück: „Gerechtigkeitsempfinden der Menschen unterschätzt“

Die USA, deren Super-Konzerne und reichen Bürger im Ruf stehen, besonders über die Bermudas gerne viel Geld zu verschieben, nennt Steinbrück allerdings nicht namentlich. Vielmehr verweist er im Interview mit dem „Stern“ lediglich auf „Nachbarstaaten“. So hakt denn auch das Hamburger Magazin aus dem Medienhaus Gruner + Jahr nach, ob Steinbrück wohl vor allem Luxemburg meine, sowie Großbritannien mit seinen Commonwealth-Inseln (wozu die Bermuda Inseln gehören).

Daraufhin führt Steinbrück weiter aus:

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„Ich spreche zunächst davon, dass die Politik das Thema in seinen Auswirkungen auf das Gerechtigkeitsempfinden der Menschen unterschätzt hat. Es geht, wie man jetzt in diesen Dokumenten sieht, ja nicht nur um Kleptokraten aus autoritären Systemen oder Diktaturen, sondern auch um Prominente und sogar Politiker aus demokratischen Gesellschaften. Offenbar ist Gier wirklich grenzenlos, systemübergreifend. Und die Dienstleister der Gierigen sitzen in kapitalistischen Ländern.“

Auf die Frage des „Stern“, warum „gesetzestreue Bürger eine Briefkastenfirma“ benötigten, sagte Steinbrück:

„Ich tippe mal: Neun von zehn dieser Firmen dienen dem vorsätzlichen Steuerbetrug. Der jährliche Schaden durch Steuerausfälle soll sich in den betrogenen Ländern auf 190 Milliarden Dollar im Jahr belaufen…. Das Geld fehlt an allen Ecken und Enden – Bildung, Arbeitsplätze, Infrastruktur oder aktuell Integration.“

Banken helfen Privatpersonen und Unternehmen bei Briefkastenfirmen

Als Begründung, warum auch deutsche Banken Privatpersonen oder Unternehmen helfen, Steuern über Offshore-Briefkastenfirmen zu vermeiden, sagte Steinbrück:

„Vielleicht ist es der enorme Wettbewerbsdruck, der durch den globalen Finanzkapitalismus amerikanischer Prägung entstanden ist. Es hat sich eine Ignoranz gegenüber den gesellschaftlichen – und auch gesamtwirtschaftlichen – Konsequenzen bestimmter Praktiken entwickelt.“

Steinbrück war auch jener Finanzminister, der für alle Bürger – von der freien Putzfrau bis zum Multimillionär, vom braven Angestellten bis hin zum Top-Manager – Erträge aus Anlageprodukten pauschal mit 25 Prozent in Deutschland besteuern ließ.

Das bedeutet für die Deutschen: kauft sich ein Angestellter mit im Jahresmittel 4400 Euro Bruttogehalt im Monat von seinem übrig gebliebenen zusammengesparten Nettogeld für 2500 Euro Aktien und legen diese Aktien beispielsweise in zwei Jahren um 400 Euro an Wert zu und möchte der brave Angestellte dann den Gewinn realisieren, indem er die Aktien wieder verkauft, müssen darauf 25 Prozent Steuern bezahlt werden. Übrig bleiben also nur 300 Euro Gewinn für den braven Anleger.

„Stern“ sind 25 Prozent Steuern auf Aktienerträge zu wenig

Doch das scheint dem „Stern“ zu viel Gewinn für den braven Mittelstands-Anleger zu sein. So kritisiert das Magazin im Interview Steinbrück:

„Haben Sie als Finanzminister die Mentalität der Gier nicht gefördert? Etwa mit Ihrer Abgeltungssteuer, die den Steuersatz auf Kapitalerträge um fast die Hälfte senkte, auf gerade einmal 25 Prozent.“

Zudem führt der „Stern“ aus, wonach Steinbrück früher gesagt habe, „25 Prozent von X ist besser, als 42 Prozent auf nix“. Jedenfalls antwortete Steinbrück auf diese alte Steinbrück-Aussage im „Stern“:

„Es war ein Fehler, Kapitaleinkünfte günstiger zu besteuern, als Einkünfte aus Arbeit“.

Das heißt aber nichts anderes, als dass der SPD-Mann Steinbrück scheinbar auch die deutsche breite Mittelschicht am liebsten wieder höher besteuern möchte. Denn sie hatte am meisten durch die Absenkung der Abgeltungssteuer auf Kapitalerträge beispielsweise auf Aktiendepots zur Vorsorge für die spätere Rente profitiert.

Schon ab circa 53.000 Euro Jahresbrutto fallen in Deutschland auf jeden darüber hinaus verdienten Euro 42 Prozent Steuern an

Das heißt: Sollte die Große Koalition aus SPD und CDU/CSU wieder eine Rolle rückwärts machen, und Gewinnen aus Aktienverkäufen mit dem persönlichen Steuersatz besteuern, würde das vor allem eines bedeuten: Deutschlands Mittelschicht würde noch mehr als heute schon geschröpft. Denn die Mittelschicht hat weder das Geld, um im Ausland zu investieren, noch das Knowhow, über Briefkastenfirmen in Offshore-Ländern legal Geld gewinnbringend anzulegen.

Ginge es also nach dem Genossen Steinbrück, würde eine Rolle Rückwärts bei der Versteuerung von privat erzielten Gewinnen aus Anlageprodukten folgendes Szenario bedeuten:

Dann würde beispielsweise jeder normale deutsche Angestellte, der oder die für ihr Alter bereits versteuertes Netto-Geld in Aktien anlegt, bedeuten: Bereits ab einem relativ niedrigen Gehalt in Höhe von rund 53.000 Euro Jahresbrutto (circa 4400 Euro im Monat) müssten 42 Prozent Steuern auf jeden erzielten Euro Gewinn an den deutschen Staat wieder abgeführt werden. Derzeit sind es 25 Prozent.

Das heißt: Vermögensaufbau würde für die breite Mittelschicht in Deutschland noch schwerer, als es schon heute der Fall ist.

Bekannt ist, wonach die Deutschen jene Bürger in der EU sind, welche das niedrigste Pro-Kopf-Vermögen in der EU aufweisen. Selbst Griechen, Italiener, Spanier oder Franzosen haben im Schnitt am Ende des Arbeitslebens mehr auf der hohen Kante, als Deutsche. Grund: Kaum in einem Land der Welt werden die Bürger so geschröpft, wie die Deutschen.

Singapur funktioniert, obwohl Bürger selbst bei 100.000 Euro Einkommen nur 1,8 bis 6 Prozent Steuern bezahlen

Dass Länder auch erfolgreich und sozial sein können mit niedrigen Steuersätzen, belegt Singapur: Dort müssen selbst Mütter, die noch Kindergeld bekommen und über ein persönliches gutes Berufseinkommen von 100.000 Euro im Jahr verfügen, 1,8 Prozent, maximal 6 Prozent Einkommenssteuer bezahlen. In Deutschland wären es aktuell 42 Prozent. Hinzu kommen in Deutschland alle indirekten Steuern auf den täglichen Konsum, wie die Mehrwertsteuer (19 Prozent).

Peter, 43, ein in Deutschland angestellter Akademiker, sagte angesichts der hohen Steuerlast gerade auch für die Mittelschicht in Deutschland gegenüber steuerratschlag.eu:

„Ich finde die Aussagen von Steinbrück unmöglich. Ich habe in den vergangenen 15 Jahren im Schnitt vielleicht jährlich um die 60.000 Euro brutto verdient. Wenn ich die jährliche Einkommenssteuer summiere, komme ich alleine in meinem Fall auf mindestens 200.000 bis 300.000 Euro bezahlter Einkommenssteuer während meines bisherigen Berufslebens. Gleichzeitig konnte ich bislang aber nur rund 55.000 Euro für eine Wohnung oder sonstige Altersabsicherung ansparen.“

Weiter führt Peter aus:

„Mir bleibt Monat für Monat fast nichts übrig. Werden jetzt wiederum die Steuern auf meine sowieso schon niedrigen Altersvorsorgeprodukte, darunter sind Aktiendepots, von 25 Prozent auf 42 Prozent erhöht, weiß ich nicht, wie ich mich vor Altersarmut noch absichern soll. Der deutsche Staat zieht mir und meinem Arbeitgeber zwar monatlich rund 1000 Euro ab, damit ich später  ab meinem 67. Lebensjahr einmal Rente erhalten kann, zahlt später aber auf Grund des viel besungenen Solidaritätsprinzips kaum mehr Renten aus. Hinzu kommt: Selbst die Arbeitslosigkeit ist in Deutschland nicht mehr groß abgesichert, wenn man nach einem Jahr Arbeitslosigkeit bereits auf Hartz IV-Niveau fällt. Das haben wir der SPD und den Grünen mit ihrer 2010-Agenda zu verdanken, von welcher heute aber auch noch CDU/CSU profitieren, da in den Köpfen immer bleibt, die Sozis haben das ja gemacht.“

In seinem bisherigen 15-jährigen Berufsleben zahlten Peter und seine vergangenen Arbeitgeber rund 160.000 Euro für Peters spätere Rente an die staatlich vorgeschriebene „Bundesversicherungsanstalt für Angestellte“ (BfA), beziehungsweise die dort integrierte „Deutsche Rentenversicherung“ (Bund).

Dennoch schrieb ihm die staatliche Deutsche Rentenversicherung in dem jährlichen Informationsschreiben, wonach er bei Null-Prozent Verzinsung sich bislang lediglich eine spätere Rente in Höhe von 920 Euro erarbeitet habe.

Dies gilt allerdings mit der Einschränkung für den Fall, dass er jetzt aufhöre zu arbeiten und nichts mehr einzahle. Zahle er auch die nächsten 25 Jahre in die Rentenversicherung ein, stünden ihm bei einer Null-Prozent-Verzinsung später einmal 2.300 Euro brutto als Rente zu. Das entspräche aber der heutigen Kaufkraft.

Um die Inflation bereinigt – rund 40 bis 45 Prozent in 20 Jahren, entspräche dies einem heutigen Kaufkraft-Wert von circa 1300 bis 1400 Euro netto. Doch auch dieses Geld müsste dann wieder versteuert werden, zudem müsste er davon auch seine Krankenkasse bezahlen, ebenso Miete und sonstige Versicherungen.

Kommentar steuerratschlag.eu

Dieser Artikel zeigt, weshalb private Altersvorsorge beispielsweise auch über versicherungsunabhängige (hohe Kosten!) Aktiendepots so wichtig ist. Er zeigt zudem, weshalb eine Anhebung der Kapitalertragssteuer auch für die etwas über dem Schnitt liegende Mittelschicht in Deutschland kontraproduktiv wäre. Denn eines ist klar: Millionäre und Milliardäre finden auch da wieder Schlupflöcher.

Die Panama Papers dürfen jetzt in Deutschland nicht dazu genutzt werden, um die breite Masse der Steuerzahler, die Mittelschicht, noch weiter auszunehmen. Deshalb ist der Gedankengang von Steinbrück, wonach die Absenkung der Kapitalertragssteuer für alle Steuerzahler – eben auch die Mittelschicht – auf 25 Prozent falsch sei, abzulehnen.

Solche Szenarien schaden dem Vermögensaufbau der leistungswilligen Mittelschicht in Deutschland, nicht aber den Reichen. Schon heute hat die Mittelschicht im Verhältnis zu ihrem Bruttoeinkommen in Deutschland nicht zu viel Vermögen, sondern zu wenig.

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Von Tim

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