Die Bodenseestadt Konstanz.
Die Bodenseestadt Konstanz.

Es hat viele Kaufleute in der Bodenseestadt Konstanz reich gemacht: Die Möglichkeit, dass Hunderttausende Schweizer vom Thurgau bis Zürich am Wochenende die Fahrt in die schöne und vom Zweiten Weltkrieg verschonte Altstadt von Konstanz unternehmen.

Dort gehen sie dann shoppen und geben Jahr für Jahr Millionen Euro, beziehungsweise Franken, aus. Denn shoppen ist in Deutschland immer noch billiger als in der teuren, viele meinen auch überteuerten Schweiz.

Doch das ist nicht der einzige Grund: Nach dem Einkauf begeben sie sich an eine von mehreren Mehrwertsteuer-Rückerstattungsstellen, meist den Zoll.

Dort legen sie ihren Schweizer Personalausweis vor oder Deutsche, die in der Schweiz wohnen, ihren Ausländerausweis sowie deutschen Personalausweis.

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Der Zollbeamte prüft dann die Steuerrückerstattungsbögen, die man vorher mit seiner Adresse und Passnummer ausgefüllt haben muss.

Er vergleicht die Angaben auf den Ausweispapieren mit den Angaben auf den Bögen und prüft Rechnungen und manchmal Waren, für welche man Steuer zurückhaben möchte.

Ausfuhrschein

Nach der kurzen Prüfung gibt es einen Zollstempel auf dem sogenannten Ausfuhrschein. Innerhalb von drei Monaten sollte man diesen dann in dem Geschäft vorlegen, in dem man die zu viel entrichtete Mehrwertsteuer bezahlt hat. Bei Media Markt in Konstanz werden auch bis zu sechs Monate oder mehr akzeptiert.

An der Kasse des Geschäfts erhält man die zu viel entrichtete Mehrwertsteuer dann in Form von Bargeld zurück.

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Manche Anbieter, wie Aldi Süd in Konstanz, wickeln das Verfahren für die Kunden etwas komplizierter ab.

Hier muss man erst bei dem Steuerrückerstattungs-Unternehmen Global Blue einen Antrag stellen, was auch online geht.[i]

Dann erhält der Aldi Süd-Kunde eine Scheckkarte per Post zugestellt. Beim nächsten Einkauf legt man diese der Kassiererin oder dem Kassierer vor. Die Kassiererin schiebt die Karte in das Scheckkarten-Gerät. Auf diese Weise wird Global Blue automatisch und vorab die zu überweisende Steuer für den Kunden übermittelt.

Geld aufs Konto

Doch ehe man das Geld tatsächlich auf seinem Konto gut geschrieben bekommt, muss der Kunde auch hier vorher zum Zoll einen Stempel auf seinem Ausfuhrschein abholen.

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Den Bogen muss der Aldi-Kunde dann in einen Briefkuvert stecken und zukleben. Diesen Kuvert steckt er beim nächsten Einkauf bei Aldi Süd in einen internen für die Erstattung der Mehrwertsteuer vorgesehenen Briefkasten. Den Brief schickt Aldi weiter zu seinem Dienstleister Global Blue.

Doch egal, wie das Verfahren in den Geschäften ist, das Prinzip ist immer das gleiche: Für an den deutschen Staat zu viel bezahlte Mehrwertsteuer gibt es eine Rückerstattung.

  • Bei Lebensmittel sind dies aber nicht die obligatorischen hohen 19 Prozent, sondern nur 7 Prozent.

Die Mehrwertsteuer-Rückerstattungen sind weltweit Usus. In den meisten Ländern gibt es noch nicht einmal einen Mindestbetrag, den man beim Shopping ausgeben muss.

Wer aber beispielsweise als Deutscher in Frankreichs Metropole Straßburg Kleider kauft, der muss wenigstens für 25 Euro dort pro Geschäft shoppen, ehe er beim Zoll in einem gleichen Verfahren wie in der Schweiz seinen Stempel für die Mehrwertsteuer-Rückerstattung erhält.

15 Millionen Steuer-Rückerstattungsanträge

15 Millionen Mal, behauptet der deutsche Staat, würden Schweizer oder Deutsche die in der Schweiz dauerhaft leben, sich die zu viel an den deutschen Staat entrichtete Mehrwertsteuer erstatten lassen. Die meisten Deutschen, die am Verfahren teilnehmen, verfügen über eine Schweizer Aufenthaltsgenehmigung B, was diese als Gastarbeiter und Ausländer in der Schweiz kennzeichnet.

Letztlich heißt das Verfahren aber: Millionen Schweizer wie Deutsche lieben die Möglichkeit sich zu viel bezahlte Mehrwertsteuer zeitnah zurückerstatten zu lassen.

Auch die Konstanzer Kaufleute lieben dies. Denn es treibt den lokalen Umsatz in Geschäften und Restaurants nach oben.

Während andere deutsche Städte auf Grund des zunehmenden Internet-Shoppings bei den US-Giganten Amazon, Ebay & Co unter immer weniger Kundschaft leiden und Fußgängerzonen aussterben, ist es in Konstanz das Gegenteil der Fall:

Hier tritt man sich nicht nur am Wochenende regelrecht über die Füße. Denn wer im Internet kauft, erhält meist keine Mehrwertsteuer zurück. Einkaufen in Grenzstädten ist deshalb meist deutlich billiger. Denn bis zu einem Einkauf von 300 Euro pro Tag kann man die Mehrwertsteuer zurückbekommen.

Genosse will Kohle nicht wieder rausrücken

Wer als Grenzgänger für einen höheren Betrag als 300 Euro am Tag in Deutschland oder der Schweiz einkaufen geht, muss die Ware mit sieben Prozent verzollen.

Geht es aber nach dem deutschen Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD), könnte Konstanz schon bald Hunderttausende Einkäufer weniger verzeichnen.

Grund: Der Genosse, der angeblich für die kleinen Leute Politik macht, will ausgerechnet ihnen das beliebte Ausfuhrverfahren wegnehmen.

Sofern man bislang pro Tag nicht über 300 Euro Einkäufe in Geschäften als Grenzgänger im anderen Land tätigt, kann jeder sich die Mehrwertsteuer zurückerstatten lassen. Diese Grenze bleibt zwar erhalten. Doch Scholz will noch eine weitere einziehen:

Pro Geschäft und Tag sollen Deutsche oder Schweizer mindestens 175 Euro bezahlen müssen. Erst ab diesem sehr hohen Betrag soll man also seine zu viel bezahlte Steuer zurückbekommen.

Ein Betrag, der so hoch ist, dass der SPD-Mann damit das komplette Steuer-Rückerstattungsverfahren praktisch austrocknet. Denn kaum einer kauft für 175 Euro in Konstanz ein. Das sind eher Ausnahmefälle.[ii]

Zudem bleibt die Frage, ob Finanzminister Scholz seine Steuerprellerei gegen Millionen Einkäufer überhaupt mit dem EU-Recht überhaupt in Eintracht brächte.

Weltweit üblich

Nach Angaben von Global Blue würden sich bislang die folgenden Staaten am Tax free Shopping beteiligen:

Argentina, Austria, Bahamas, Belarus, Belgium, Bosnia, China, Croatia, Cyprus, Czech Republic, Denmark, Estonia, Finland, France, Germany, Greece, Hungary, Iceland, Italy, Japan, Latvia, Libanon, Lithuania, Luxembourg, Macedonia, Malaysia, Moldova, Morocco, Netherlands, Norway, Poland, Portugal, Russia, Serbia, Singapore, Slovakia, Slovenia, South Korea, Spain, Sweden, Switzerland, Turkey, United Kingdom, Ukraine, United Arab Emirates und Uruguay.[iii]

Als „Best Tax Free Shopping Destinations“ nennt Global Blue die Städte MILAN, BERLIN, PARIS oder LONDON.

Einzelnachweise

[i] Global Blue: Aldi Online Anmeldung.

[ii] Ausfuhrschein erst ab 175 Euro, in: Kreuzlinger Zeitung vom 26.4.2019 Seite 9.

[iii] Global Blue: Steuerfrei Einkaufen weltweit.

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